Weltmeistertitel: Philip Kolb schafft die beste Wertung und Gesamtpunktzahl Modellflug in Perfektion

Bernhard Reckwert (rechts) pflegt das Flugbuch der Modellfluggruppe Jügesheim. In das trägt sich auch Weltmeister Philip Kolb (mit Sonnenbrille) ein, sobald er seine Maschine startet.

Jügesheim – Die Modellfluggruppe Jügesheim freut sich über einen Weltmeister in ihren Reihen. Philip Kolb trat in Erbach bei Ulm unter 39 Teilnehmern aus sieben Nationen für eins der deutschen Teams an und sicherte sich den Titel im Modellsegelflug GPS Triangle Sport. „Es war wie ein Sommermärchen für mich“, schwärmt der 46-Jährige vom Moment, als er den Siegerpokal in Händen hielt.

Gewinner in dieser Disziplin wird, wer binnen 30 Minuten die längste Strecke segelt. Der Start erfolgt aus der Hand, der Hilfsmotor der Flugzeuge wird danach abgeschaltet. Dann heißt es: Die Thermik nutzen. Geflogen wird immer dasselbe Dreieck mit einem Umfang von 1,7 Kilometer und drei festgelegten Wendepunkten, die umrundet werden müssen. Vom Geschehen in der Luft ist das Zweierteam aus Pilot und Navigator etwa 350 Meter entfernt. „Da sieht man das Flugzeug aber noch gut“, sagt Kolb, der seit fünf Jahren Mitglied der Modellfluggruppe Jügesheim ist. Gestartet wird in Gruppen, die pro Durchgang gemischt werden. Der Beste einer Gruppe erhält für den Sieg in einem Durchgang 1 000 Punkte. „Man hat also mehrere Chancen, um die beste Wertung zu erreichen.“ Verteilt über sechs Wettkampftage schaffte der Jügesheimer Weltmeisterpilot von 16 000 möglichen Punkten 15 789. Sein bester Freund, Tobias Ebner aus Ulm, wurde Vizeweltmeister. Mit ihm wechselte sich Kolb beim Navigieren und als Pilot ab. Eine Spezialität dieser Disziplin: „Im Wettkampf sehe ich per GPS auf dem Monitor eines Tablets vor mir ganz genau die Position des Flugzeugs.“ Der gebürtige Nürnberger begeisterte sich schon als Zwölfjähriger für den Modellflug mit ferngesteuerten Maschinen. Seinen ersten Wettbewerb flog er mit 15, versuchte sich danach in mehreren Klassen und Disziplinen und ist inzwischen beim Modellsegelflug GPS Triangle Sport gelandet. Und mehr noch als das: Das Modellflugfieber hat den Kundenbetreuer bei einem mittelständischen Unternehmen inzwischen derart gepackt, dass ihn Wettkämpfe schon in die ganze Welt geführt haben. Auch konstruiert er die hochmodernen Segelflugzeuge unterdessen selbst. Professionelle Hersteller bauen sie dann in Serie nach. Sein Sieger-Flieger („Pike Paradigm“) ist eine Eigenkonstruktion von 4,72 Spannweite und sieben Kilo Gewicht. Sie entstand als Projekt zusammen mit Benjamin Rodax, einem Freund Kolbs und Luft- und Raumfahrtingenieur, in einer Negativform aus hochfestem Alu. Zuvor wurde ein CAD-Modell im Computer angefertigt. Das Sportgerät hat mit herkömmlichen Flugzeugmodellen nichts mehr zu tun. Es ist vielmehr ein Hochleistungs-Segler von Experten für Experten. Wie in einer Backform bildeten Schaumstoff (als stützender Kern) und von Epoxidharz getränktes Carbongewebe den Corpus. „Solche Flieger sind enorm steif und trotzdem sehr leicht“, erläutert der begeisterte Hobbypilot den entscheidenden Vorteil dieser extrem aufwendigen Bauweise. So kompliziert wie die Konstruktion, ist auch der Flugwettbewerb. Kolb spricht von einer „Thermik-Regatta“, bei der es viel auf die richtige Taktik ankomme. Nicht der kürzeste Weg sei unbedingt der schnellste. „Manchmal muss man in schlechter Luft kurz parken, bis auf dem Wettkampfplatz wieder bessere Luft herrscht.“ Bedeutet: Wer die Thermik am besten liest, ist schon auf der Siegerstraße. Hat ein Weltmeister noch Ziele? Klar: Philip Kolb fiebert schon dem März 2023 entgegen. Dann folgt der Familienvater einer Einladung des australischen Luftsportverbands. In Adelaide und Brisbane soll er Vorträge und Seminare zu seiner Spezialdisziplin halten.

Von Bernhard Pelka