Männerchor 1842 singt seit 175 Jahren und feiert ebenso lange das „Beemsche“ Musik gab’s damals in Rodgau nur selbst gemacht

rop13männerchor-ehrung Neben den vielen Grußworten aus dem Vereinsleben und der Politik standen Ehrungen im Mittelpunkt der akademischen Feier. Im Rahmen der Feierlichkeiten zu 175 Jahre Männerchor dankte und gratulierte der Vorstand den verdienten Mitgliedern. Die Ehrungen nahmen Carsten Rückert und Winfried Seib vor. Foto: Pulwey

Rodgau (pul) – Wir schreiben das Jahr 1842, die Menschen in Dudenhofen haben keinen Strom, es lärmen noch keine Motoren und Straßenlaternen gibt es auch nicht. Damals rauften sich einige Dudenhöfer zusammen und gründeten den Gesangsverein, der heute als Männerchor im Rodgauer Kulturleben fest verankert ist.

Stolze 175 Jahre liegt dies nun zurück. In diesem Jahr starteten die Dudenhöfer Gesangsfreunde in ihr Jubiläumsjahr und zelebrierten die akademische Feier zum 175. Geburtstag. Den genauen Geburtstag des Vereins geben die Dudenhöfer Chroniken nicht her.

Ein Dokument von 4. April 1842 gilt daher als Geburtsurkunde des Vereins. Damals wurden 25 Gesangshefte gekauft, zu denen der Kreisrat des Großherzogtums Hessen einen Zuschuss gewährte. Dieses Dokument zeigte der Männerchor im Rahmen seiner Ausstellung im Bürgerhausfoyer.

„Wir sind jenen Vereinsmitgliedern dankbar“, so der Vorsitzende Winfried Seib, „anhand deren Dokumentation wir heute die Vereinsgeschichte belegen können.“ So zählte zu den ältesten Schriftstücken der Vereinshistorie das Tagebuch eines Johann Kratz aus der damaligen Hauptstraße 9, in dem er seinen Beitritt zum Chor 1843 belegte: „ ... bin ich dem hiesigen von Lehrer Decher errichteten Sängerverein beigetreten“. Johann Kratz dokumentierte auch ein Sängertreffen im Babenhäuser Wald im Jahr 1844 mit 8.000 Besuchern.

Teils herrschten strenge Regeln innerhalb der Sängervereinigung: So belegen Kassenbücher von 1910 die Strafe von einer Mark die zu entrichten war, wenn Sänger bei den Proben unentschuldigt fehlten.

Eins der ältesten Fotos der Chorgeschichte stammt von 1907. Darauf zu sehen ist auch die Mutter von Thilo Köhler, der während der akademischen Feier für 70 Jahre aktives Singen geehrt wurde.  1926 war der Männerchor Mitbegründer des Hessischen Sängerbundes. Während der NS-Zeit ruhte der Sangesbetrieb, der Verein wurde aber von den Nazis nicht aufgelöst.

Ära Seib/Siegler prägt Chor

In der jüngeren Vergangenheit prägte die Ära des Vorsitzenden Werner Seib (von 1973 bis 2015) und des Dipl. Chor- und Kapellmeisters Winfried Siegler (1965 bis 2012). Werner Seib gilt während und nach seiner Amtszeit als großer Ideengeber und Promoter und ist aktuell sehr stark im Projekt zum Festbuch eingebunden. „Es wird hochwertig sein“, ließ Winfried Seib bereits durchblicken. Das Festbuch kommt später im Jahr heraus, die akademische Feier soll darin integriert werden. „Winfried Siegler als Dirigent war ein Glückgriff für uns“, blickte Winfried Seib zurück, „ein absoluter Fachmann, er prägte den gepflegten Chorklang, den der Männerchor bis heute innehat“. Unter Werner Seib als Vorsitzenden und Winfried Siegler reiste der Männerchor zu unzähligen Wettbewerben im In- und Ausland. Fotos dokumentierten die Reisen nach Llangollen (Wales), Montreux in der Schweiz und den Auftritt im Salzburger Dom.

Zu den Höhepunkten der Seib-Siegler-Ära zählte auch der Open-Air-Gesangsabend „Kein schöner Land an der Gänsbrüh“. Damals schmückte ein dreidimensionales Modell der Wartburg von mehr als zehn Metern Länge die Anlage im Dudenhöfer Wald.

Viele Wochen Arbeit steckten damals (1995) Irene Resch und Rudolf Carl in das Projekt. Im Hof von Ernst Seib schnappte sich Irene Resch nach ihrer täglichen Arbeit den Pinsel und gab den Spanplatten Farbe. Das Werk fand später seinen Weg über Berlin (mit einer Fahrt durch das Brandenburger Tor zu den Feierlichkeiten „Fünf Jahre deutsche Einheit“) bis nach Eisenach.

Beim Blick zurück auf 175 Jahre Vereinshistorie durften Zukunft und Gegenwart nicht aus den Augen verloren werden.

Zurzeit lebt der Verein Männerchor über vier Chöre, von denen Männerchor, Frauenchor und „Cantiamo“ mit etwa jeweils 40 Aktiven aufwarten. Dazu kommt der Kinderchor. Besonders unter den Männern ist das gemeinsamen Singen nicht so beliebt, wie sich dies hiesige Chöre wünschen. „Die Arbeitswelt hat sich verändert“, erläuterte Winfried Seib“, „und die Jugend ist schwer zu erreichen“. Im Rahmen der akademischen Feier wurde Thersia Uglik verabschiedet, die langjährige Leiterin des Kinderchors.

Ein mehr an Mitgliedern und aktiven Sängern ist in Dudenhofen gewünscht. Deshalb braucht die Welt der Chöre neue Ideen. Mit Veranstaltungen wie beispielsweise Bierfest und Keeskuchefest ist der Männerchor fester Teil des Veranstaltungskalenders. Weitere neue Aktivitäten werden in Kürze für eine Belebung der Sängerlandschaft sorgen.

Quartett führt Verein

Heute steht ein Quartett an der Spitze des Klubs: Winfried Seib, Rudolf Vogl, Rudolf Schneider und Carsten Rückert. „Wir wollen das Singen nicht sterben lassen“, betonte Winfried Seib.

Und somit bleibt in Zukunft eins sicher: In Dudenhofen werden sich auch nach 175 Jahren die Macher des Männerchors treffen, um ihre Traditionen zu wahren. Dazu zählt die jährliche Weihnachtsveranstaltung „Beemsche“, die seit sage und schreibe 1842 alljährlich die Familien des Männerchors unter dem Weihnachtsbaum vereint.