Wollverarbeitung im Heimatmuseum in Weiskirchen Auch in Rodgau wird gesponnen

Die Ausstellung zur Wollverarbeitung des Weiskircher Heimat- und Geschichtsvereins beinhaltet wahre Schmuckstücke. Die alten Holzgerätschaften (hier ein Haspel) lassen in die Produktionsprozesse des alten Handwerksberufs blicken. Willi Winter, Erhard Stephan, Mia Stephan und Albert Walter kennen noch die Handgriffe aus ihrer Kindheit. Foto: Pulwey

Rodgau (pul) – Die Märchen der Brüder Grimm gehören zu den Kulturschätzen Deutschlands. In der Erzählung von Dornröschen sticht sich die Königstochter mit einer Spindel in den Finger und fällt in einen todesähnlichen Schlaf.

Das Spinnen von Wolle und Flachs ernährte in den vergangenen Jahrhunderten hierzulande unzählige Familien. So hat sich auch der Heimat- und Geschichtsverein Weiskirchen der altehrwürdigen Tätigkeit angenommen und stellt im kleinen Raum des Alten Spritzenhauses 20 Exponate zur Wollverarbeitung aus. „Die spinnen, die Weiskircher“, nennen die Macher die Ausstellung, die den Verarbeitungsprozess des Materials aufzeigt.

Willi Winter hat die alten Holzgeräte aus einem Jügesheimer Nachlass erhalten. Sie schmücken nun den kleinen Raum im Alten Spritzenhaus. Die Arbeit mit Wolle und Flachs bis hin zum fertigen Produkt (Wäsche, Säcke und Wagentücher) zog sich über Jahrhunderte durch das Leben der ländlichen Bevölkerung. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass das Handwerk der Spinnerinnen im Märchen der Brüder Grimm vorkommt.

Schöne Fotos und Bilder aus der Branche schmücken die Wände im kleinen Raum des Museums. Sie stammen aus dem Fundus des Dudenhöfers Albert Walter. Bei ihm zu Hause stapeln sich kistenweise die historischen Postkarten mit den Abbildungen aus früheren Tagen. Ein altes Foto zeigt Schafe, die damals vor dem Alten Spritzenhaus weideten. Wie die Tiere heute geschoren werden, ist hinlänglich bekannt. Die Vierbeiner werden mit festem Griff gepackt und mit dem Hinterteil auf den Boden gesetzt. Dann summt das Schergerät und die Wolle fliegt in Richtung der Auffangbehälter. Viel anders dürfte es vor Jahrhunderten nicht gewesen sein: Nur dass statt des elektrischen Schergeräts die manuelle Schere zum Einsatz kam.

Wie man sich ganz schnell verhaspelt

Willi Winter und Erhard Stephan vom Weiskircher Heimatmuseum können sich noch gut an die Tätigkeiten aus ihrer Kindheit erinnern. Das Lot über die Hand halten, so wurde das zur Hand gehen von Kindern genannt, wenn Mama oder Oma den Wollfaden zum Knäuel wickelten. Zuvor wurde das weiche Schafprodukt gewaschen, getrocknet und gebürstet. Die noch zusammen hängende Wolle nannte der Fachmann Fell oder Vlies. Zum Faden gesponnen, wurde die Wolle auf den Haspel aufgezogen. Vor diesem Hintergrund gewinnen alte Sprichwörter wieder ihre ursprüngliche Bedeutung: Wer den Faden verliert, der hat sich ganz schnell verhaspelt.

Bis in das 19. Jahrhundert hinein trafen sich in den Ortschaften die Mädchen und Frauen bevorzugt an Winterabenden zum Spinnen. „Spinnen am Abend erquickend und labend, spinnen am Morgen bringt Kummer und Sorgen“ - wer schon morgens spinnen musste, litt meist Not. An den Spinnabenden wurden Geschichten und Lieder zum Besten gegeben und sicherlich gab es den ein oder anderen verbalen Seitenhieb gegen das männliche Geschlecht. Irgendwann hielt die mechanische Unterstützung bei der Arbeit Einzug und die Gerätschaften wurden erzeugt, die nun das Heimatmuseum schmücken. Die Ausstellung ist bis auf Weiteres jeden ersten Sonntag im Monat von 11 bis 17 Uhr im Alten Spritzenhaus in Weiskirchen zu sehen.