Ohne Apfelbäume gibt’s kein Stöffche Streuobstwiesen prägen Rodgau

In der Gemarkung blühen die Obstbäume. Gerhard Klein, Heribert Klee-Groh, Klaus Klein und Matthias Blickle fachsimpeln über die später im Jahr anstehende Apfelernte. Die hier blühende Apfelsorte Jakob Fischer eignet sich als August-Apfel gut für das Verkochen zu Apfelbrei. Foto: Pulwey

Rodgau (pul) – Im Frühjahr zeigen die Bäume ihre wundervolle Pracht. Obstbäume blühen in weißen sowie rosafarbenen Tönen und erfreuen so Mensch und Tier. Dabei sind Streuobstwiesen weit mehr als blühende „Prachtstraßen“. Auf den Wiesen mit den locker stehenden Obstbäumen sind laut Zählungen bis zu 800 Prozent mehr lebende Tiere zu finden als auf monotonen Ackerflächen. Der Naturschutzbund (Nabu) Rodgau gibt auf seiner Internetseite Zahlen bekannt, nach denen auf den verschiedenen Etagen einer Streuobstfläche schon über 5.000 Arten gezählt wurden. Dazu gehören der Siebenschläfer, der Feldsperling, Hornissen, Wildbienen, Fledermäuse sowie der Wiesensalbei.

Heribert Klee-Groh ist sowohl Mitglied beim NABU als auch bei der Interessengemeinschaft StreuObstCoOp: „Egal wie Streuobstwiesen bewirtschaftet werden, es sind große Habitate für Biodiversität. Extensiv bewirtschaftete Streuobstwiesen sind ein wunderbarer Lebensraum für alle Kreaturen, von Bodenlebewesen bis hin zum Reh. Hasen finden ihre Kräutermischung und alles was fliegt ist dort ebenfalls zu Hause“.

Die StreuObstCoOp ist eine Interessengruppe aus Freunden des Obstanbaus. Für moderne Eigentümer wie Ideengeber Klaus Klein und Matthias Blickle ist die Arbeit mit den Bäumen eine Balanceaktivität zum Beruf, es ist ein Hobby, aber mit einer sinnvollen Zielführung: Das Verwirklichen in der Arbeit sowie im Interesse des Naturschutzes und in der Nahrungsmittelproduktion. Die Fläche dient als Lebensraum.

Heimat vieler Tiere

Auf seinen Grundstücken in Dudenhofen hat Klaus Klein schon Fasane, Igel, Krähen, Grasfrösche, Grünspechte, Waldkäuze und jede Menge Kleinsäuger gesehen. Für die Artenvielfalt sind auch die Benjeshecken verantwortlich, so der Dudenhöfer. Das Aufhäufen der beim Baumschnitt angefallenen Äste bietet Tieren Schutz, dient als Ansitz für Vögel und bildet auf lange Sicht eine neue Hecke.

Neben den Freuden am Obstanbau gibt es immer wieder Unerfreuliches zu berichten: Klaus Klein ärgert sich über Autos, Vespas und Motorräder auf den Feldwegen im Osten von Dudenhofen. Es parken Autos auf den bewirtschafteten Grundstücken und die Obstanbaufläche wird als Hundetoilette missbraucht.

Die Anleinpflicht ist längst nicht bei allen Hundefreunden angekommen, teils liegt Hausmüll zwischen den Bäumen und unwillkommene „Erntehelfer“ begrüßen die Eigentümer mit den Worten: „Kommen Sie her, hier gibt es genug Obst für alle“.

Die Obstproduktion hat im Kreis eine lange Tradition. Laut NABU gab es im Jahr 1912 im Kreis Offenbach 311.848 Obstbäume. In der Gemarkung Dudenhofen

waren es damals 11.534. Das war gegenüber den 2.610 Stück aus der früheren Zählung von 1887 eine Vervierfachung.

Auch Gerhard Klein von der StreuObstCoOp kennt die gute alte Zeit: „Früher standen die Obstbäume gleich hinter der Bebauungsgrenze“, erinnert sich der Dudenhöfer noch an frühere Verhältnisse. Es handelte sich um einen regelrechten Obstbaumgürtel um das Ort. Durch Erweiterungen der Bebauungsgrenze und die Flurbereinigung in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg fielen diese meistens weg.

Ab 1986 führte der damals neu gegründete NABU-Dudenhofen mit starker finanzieller Unterstützung durch Kreis und Stadt Obstbaum-Schenkaktionen durch. Inzwischen sind in Rodgau

über 3.200 Hochstämme der verschiedenen Obstsorten vermittelt worden.

Bis heute unterstützt der Kreis die Ansiedlung der Nahrungsquellen finanziell. Zuletzt verteilte der Kreis 53 Setzlinge für Obstbäume. Die Erste Kreisbeigeordnete Claudia Jäger und der Vorsitzende der StreuObstCoOp Rodgau, Klaus Klein, gaben die Jungbäume an 17 Rodgauer Bürgerinnen und Bürger weiter. Sie hatten über Klaus Kleins Initiative bestellt. Darunter waren zahlreiche Obstsorten wie Äpfel, Zwetschgen und Kirschen, aber auch seltene Sorten wie Speierling, Birnenquitte und Edel- sowie Esskastanie. „Das Landschaftsbild im Kreis Offenbach ist geprägt von Streuobstwiesen. Daher unterstützen wir die Neuanpflanzung von alten Obstbaumsorten auch weiterhin finanziell“, erklärte Claudia Jäger.

Pflegetipps für Bäume

Pflegetipps für die Bäume gibt es von erfahrenen Obstbauern reichlich: Gerhard und Klaus Klein raten, die Grundstücke nicht komplett zu mulchen. Es macht Sinn, einen Randstreifen mit Gras und blühenden Blumen stehen zu lassen oder gar eine Grasinsel in der Mitte der Wiese. Dort verstecken sich Rehe; auf den gemähten Flächen jagt der Steinkauz nach Mäusen.

Nistkästen sind ebenfalls relevant, betont Klaus Klein. Vögel fressen die Raupen der Insekten von den Bäumen, Töpfe mit Holzwolle dienen als Wohnstube für Ohrwürmer. Sie jagen kleinere Insekten.

„Es macht Sinn, auch abgestorbene Bäume stehen zu lassen“, resümiert Heribert Klee-Groh. Diese bilden neuen Lebensraum. So können auf dem Todholz Insekten und Pilze neue Flächen zum Gedeihen finden. Natur ist ein Kommen und Gehen.