Mobilitätskonzept: Zu viele Kurzstreckenfahrten im Auto „Verbote helfen gar nichts“

Ein schlimmer Knotenpunkt in Rodgau: die Triangel-Kreuzung in Jügesheim. Mit Ludwigstraße, Eisenbahnstraße, Dudenhöfer Straße, Landwehrstraße und Kurt-Schumacher-Straße. Foto: häsler

Rodgau – Das Radwegenetz und der ÖPNV mit Bus und S-Bahn sind gut bis „vollumfänglich“ ausgebaut. Obendrein bestehen mit der B 45 und der Ringstraße gleich zwei Umgehungsstraßen. Trotzdem verstopfen die Rodgauer mit innerörtlichen Kurzstreckenfahrten im Auto die viel zu schmalen Ortsdurchfahrten. Das sind alte Erkenntnisse in einem neuen Mobilitätskonzept. In einer Sondersitzung von Magistrat und Stadtverordneten hatten Owen Dieleman und Michael Beutel das Wort. Die Experten des Darmstädter Zentrums für integrierte Verkehrssysteme stellten den ersten Teil des bei ihnen von der Stadt beauftragten Mobilitätskonzepts vor. Dabei ging es um eine Bestandsanalyse von Fuß- und Radverkehr sowie Rollstuhlfahrern, dem motorisierten Individual- und Wirtschaftsverkehr sowie dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Anhand der Analyse von Ziel- und Quellverkehren sowie Videobefahrungen mit Rad und Auto stellten die Fachleute überdies lokale Wunsch-Radwegnetze und das Gleiche für Fußwegverbindungen zusammen. Eine zentrale Erkenntnis des Abends war, dass die Ortsdurchfahrten viel zu stark belastet und viel zu schmal sind, um die untersuchten Verkehrsarten jemals gleichberechtigt aufnehmen zu können. Um die Mindestbreite von Parkplätzen (zwei Meter) Gehwegen (1,6 Meter) und Radwegen (2,50 Meter) einhalten zu können, müssten die Ortsdurchfahrten 17 bis 21,5 Meter breit sein. „Meistens sind es in Rodgau weniger als 15 Meter“, schilderten die Fachleute die Misere. Das sei in vielen Orten so. Markant war ebenfalls das Fazit beim Thema Barrierefreiheit: Nur zehn Prozent aller Rodgauer Bushaltestellen im ÖPNV sind den Bedürfnissen Behinderter angepasst.

Zur Verkehrsbelastung der Ortsdurchfahrten gab es natürlich Zahlen.

Trauriger Spitzenreiter ist die Nieuwpoorter Straße mit bis zu 16 200 Fahrzeugen binnen 24 Stunden, gefolgt von der Hainburgstraße (15 800 Kfz), der Weiskircher Straße (14  500), der Hauptstraße (14  200), der Ludwigstraße (12 300) und der Ober-Rodener Straße (6 600).

Die Sachverständigen plädierten dafür, alternative Fortbewegungsarten in Rodgau auszubauen und noch attraktiver zu machen. Nur so lasse sich die Zahl der vielen Kurzstreckenfahrten im Auto minimieren. „Zwänge und Verbote helfen gar nichts.“

Überdies regten die Experten an, dass die Stadt im Zuge einer breit angelegten Bürgerbeteiligung Leitlinien, also Oberziele, für die Verkehrssituation bis 2030 festlegt und ihren Handlungsplan danach ausrichtet. Empfohlen wurden Haushaltsbefragungen etwa zur Frage, wer in der Familie welches Mobilitätsmittel benutzt. „Es fehlt eine durchgängige Nord-Süd-Achse für Radfahrer.“ „Befürworten Sie einen Lückenschluss der Rodgau-Ringstraße?“ „Was bringt es, den ÖPNV kostenlos anzubieten?“ „Zu viele Busse fahren leer.“ Das Publikum hatte viele Themen. Vielleicht wird die exakte Lektüre des kompletten Konzepts zur weiteren Erhellung jetzt noch beitragen.

VON BERNHARD PELKA