Architektur zwischen Sonne und Mond Arbeiten aus dem Studio Mumbai im Deutschen Architekturmuseum

Kurator Yorck Förster erläutert die Arbeitsweise des Studios Mumbai, im Regal Modelle vom Materialeinsatz und von Möbeln . Foto: Faure

Sachsenhausen (jf) – Mitten im üppigen Grün steht ein Haus. Oder besser eine überdachte Terrasse, ein Werkhof, angefüllt mit Architekturmodellen, Stühlen, Tischen, viel Holz. Ein Mann balanciert in den offenen Hof.

Das Studio Mumbai, das sich etwa 80 Kilometer außerhalb der 22-Millionen-Metropolregion in Alibag befindet, hat wenig oder gar nichts mit einem europäischen Architekturbüro zu tun. Akkurat gezeichnete oder gar digital erstellte Baupläne sucht man vergebens, vor Ort wird Papier bei Monsun sofort unbrauchbar. „Wir sind den indischen Architekten zum ersten Mal auf der Biennale 2010 begegnet und waren beeindruckt“, erklärte Peter Cachola Schmal, Direktor des Deutschen Architekturmuseums (DAM). Bijoy Jain, der 1965 geborene Chef des Studios Mumbai, studierte drei Jahre in den USA bei Richard Meier, dessen Museumsbau für Angewandte Kunst sich nur wenige hundert Meter entfernt vom DAM befindet. Jain ging dann für weitere drei Jahre nach Großbritannien, kehrte 1995 nach Mumbai zurück und gründete zehn Jahre später sein Studio. Der Architekt beschäftigt über 100 Handwerker und bildet sie aus – und lernt von ihnen.

Die Ausstellung im DAM unter dem Titel „Between the Sun and the Moon“ wurde aus Bordeaux übernommen, das dortige Architekturzentrum „Arc en Rêve“ konzipierte die Exposition und war im Studio Mumbai. So entstanden Filme über Projekte und die Arbeitsweise von Bijoy Jain und seinen wenigen Architekten und vielen Steinmetzen, Maurern, Zimmerleuten, Möbelschreinern, Blechschmieden.

„Diese Direktheit hat etwas Faszinierendes"

„Jains verbindet Modernität mit alter Handwerkskunst“, erläuterte Cachola Schmal. Die Workshop-Atmosphäre der Exposition ist gewollt. „In Europa geht es um industrielles Bauen, in Indien wird auf das Handwerk zurückgegriffen“, erklärte Kurator Yorck Förster, „diese Direktheit hat etwas Faszinierendes. Die Arbeiten changieren zwischen Architektur und freier Kunst.“

In einer Black Box werden Objekte ausgestellt, die Reminiszenzen an Jahrmärkte sind: filigrane Drahtfiguren, die leuchten. Zwei große, sich drehende Räder sind in der Schau platziert – leider kann man sie nicht funkeln sehen, dafür ist es zu hell. Eine erstaunliche, detailreiche Bambusskulptur markiert den Eingang zur Ausstellung.

Schöne, funktionale Stühle aus Teakholz, die dem Designerstuhl aus Plexiglas, 1968 von Giancarlo Piretti entworfen, nachempfunden sind, laden zum Sitzen ein. Der Blick fällt auf Originalmodelle, auf nachgestaltete Hohlblockmauern aus handgefertigten Ziegeln, auf Gläser voller Farben. Fliesen in matten Farbtönen von Grau, Grün, Blau sind zu sehen. Ein Tische voller seltsamer Negativformen in Teer. „Oft entstehen 1:1-Modelle wie dieses Kupferdachstück, an dem man nachvollziehen kann, wie es sich beispielsweise bei Monsun verhält“, erläuterte Förster. Bijoy Jain baut mit seinen Leuten exklusive Häuser, die so einfach wie funktional sind und mit der Natur übereinstimmen. Besonders am Palmyra Haus wird das deutlich: Das Feriendomizil steht inmitten einer dicht bepflanzten Kokosplantage. Auf Monitoren erfährt der Besucher viel über die Entstehung von Jains Bauwerken und kann einen Blick hinter die Kulissen im Werkhof werfen.

Exposition bis 21. August

In einem Interview mit dem französischen Architekten Félix Mulle sagte Bijoy Jain: „Auf der einen Seite gibt es … eine globalisierte Form von streng geregelter Zeit, die dem Lauf der Sonne folgt und die Indien durch seine koloniale Geschichte übernommen hat. Auf der anderen Seite gibt es die ‚Mondzeit’, sie beruht auf dem Auf und Ab des Wassers, der Gezeiten und dem Monsun und hat in unserer paganen (heidnischen) Gesellschaft nach wie vor viel Einfluss. Die Zusammenführung dieser beiden Ansätze eröffnet ein enormes Potential, das wir ausschöpfen sollten. Darin liegt für mich der Sinn meiner Arbeit und es erklärt den Titel der Ausstellung.“

Die Exposition ist bis zum 21. August im Haus am Schaumainkai 43 zu sehen.