Auf der Spur des roten Fadens Ausstellung im Weltkulturen Museum

Museumsleiterin Eva Raabe (links) und die Künstlerin Sarah Sense, im Hintergrund ihren mehrdimensionalen Flechtarbeiten. Foto: Faure

Sachsenhausen (jf) – Einen Gedanken spinnen, etwas zieht sich durch wie ein roter Faden, Netzwerke werden gebildet, Muster entschlüsselt, Codes verwendet. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Aus dem Nähkästchen geplaudert. Bevor man mit Weben beginnen kann, muss man zuerst die Fäden herrichten. Nach Strich und Faden betrügen. Keinen guten Faden an jemandem lassen. Den Faden verlieren. Alle Fäden in der Hand haben. Alles läuft wie am Schnürchen.

Unsere Sprache ist voller textiler Redewendungen. „Der Arbeitstitel der Ausstellung ‚Der rote Faden’ lautete: ‚Textiles Denken ist menschlich’“, erzählte Eva Raabe, Kommissarische Leiterin des Weltkulturen Museums, beim Presserundgang. Wer Textilien herstelle, erwerbe Fähigkeiten für sein weiteres Leben, entwickle sein Vorstellungsvermögen, erkenne mathematische Strukturen und übe sich in räumlichem Denken. Die kuratorische Leiterin Vanessa von Gliszczynski führte durch die einzelnen Räume auf zwei Etagen, die sich mit insgesamt rund 400 Exponaten den Themen Fasern, Spinnen und Fäden; Farben und Färben; Weben; Gewebe; Stoff; Verschlungen und Verflochten; Reserviert; Muster und Abstraktionen; Begegnungen sowie Text und Textur widmen. Eines der ältesten Objekte ist ein peruanischer Miniatur-Poncho aus Wolle, er stammt aus der Zeit zwischen 500 und 800 nach Christus und weist eine große Farbpalette auf.

Vielfalt von Pflanzenfasern

Gleich im Foyer bemerkt der Besucher eine Vitrine und darin die Vielfalt der Pflanzenfasern, die von Brennnessel, Agave, Flachs, Baumwolle, Hanf und Rindenbast über organische Fasern wie Haar, Wolle oder Seide bis hin zu industriell gefertigten Kunstfasern reichen. Wie Mutter und Kind – so sehen zwei Gabelholzrahmen aus; der eine sehr klein für ganz junge Mädchen, der andere größer, für erwachsene Frauen. Und wer weiß schon, dass die von Charles Babbage 1830 entwickelte Rechenmaschine „Analytical Engine“ auf dem System der Lochkarten des Jacquard-Webstuhls basiert?

Es gibt viel zu entdecken im Weltkulturen Museum. Ein überdimensionales Strickliesel beispielsweise, mit dem orangefarbenes Glasfaserkabel verarbeitet wird. Oder vertontes Gewebe – die Kompositionsstudenten Tobias Hagedorn und Raphaël übersetzten textile Strukturen in moderne Musik. Es gibt viele Verbindungen zwischen traditioneller Handwerkskunst und dem gegenwärtig wieder auflebenden Interesse, mehr über alte Techniken zu erfahren: Co-Kurator Max Carocci, Dozent an der University of the Arts, London, erklärt am Beispiel von korbartigen Objekten: „Es gibt Verbindungen zwischen Amerika und Europa, es entsteht eine Diskussion zwischen unterschiedlichen Künstlern, die sich mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beschäftigen.“

Mehrdimensionale Flechtbilder

Ganz eigenwillige Arbeiten stellt Sarah Sense aus. Sie wurde im kalifornischen Sacramento geboren und hat Wurzeln im deutschen Krefeld – von dort stammt ihr Großvater. „Es war für mich wie ein Einsteigen in die Geschichte“, sagt sie. Ihre Flechtbilder sind mehrdimensional; die zerschnittenen Fotografien, ineinander verflochten und angereichert mit Texten und Mustern, erzählen auf wunderbare Weise Geschichten. Die Ausstellung, so hofft Eva Raabe, soll gerade junge Besucher anziehen. Ein Rahmenprogramm bietet Führungen, Künstlergespräche, Workshops, Konzerte und Vorträge. Mehr dazu ist unter www.weltkulturenmuseum.de zu finden. Die Exposition ist bis zum 27. August 2017 im Haus am Schaumainkai 29 zu sehen.