Einweihung des Kalisher-Mahnmals für die Betroffenen des Novemberpogroms 1938 Beispiel für Verfolgung

Unter großer Beteiligung wurde auf dem Südfriedhof nahe der Trauerhalle auf der Grabstätte der Eheleute Kalischer ein Mahnmal eingeweiht, das an alle vom Novemberpogrom 1938 Betroffnen erinnern soll. Unser Bild: Das Mahnmal zwischen Vergessen und Erinnern. Foto: Schieder

Sachsenhausen (ms) – Das Schicksal der Eheleute Kalischer beschäftigt schon seit vielen Jahren sowohl die Maria-Magdalena-Gemeinde, der Marie Kalischer angehörte, als auch die Dreikönigsgemeinde. Ein erster Schritt war die Verlegung von Stolpersteinen vor ihrem Wohnhaus in der Böcklinstraße.

Aus der Beschäftigung mit dem Schicksal von Novemberpogrom Betroffenen in Sachsenhausen entstand die Idee zu einem Mahnmal für die Eheleute Kalischer, das kürzlich auf dem Südfriedhof eingeweiht wurde. Es steht an der Grabstätte der Kalischers in Sichtweite der Trauerhalle auf dem Südfriedhof. Im Schatten begann die Gedenkfeier, zu der viele Menschen gekommen waren, darunter ein Vertreter von Allessa (vormals Cassella).

Pfarrer Volker Mahnkopp von der Maria-Magdalena-Gemeinde dankte dem Grünflächenamt für die Ausnahmegenehmigung und die zur Verfügung gestellten benachbarte Grabfläche, der Dreikönigsgemeinde, der methodistischen Gemeinde am Merianplatz, die die ersten Paten für die Grabstätte waren, dem Ortsbeirat und der Firma Derex, die die Glasinstallation des Mahnmals hergestellt hatte. „Hier geht es um Erinnern und Vergessen,“ sagte Mahnkopp und ging auf die Geschichte der Eheleute ein. Georg Kalischer wurde 1873 als Sohn jüdischer Eltern in Berlin geboren. Er studierte Chemie in Heidelberg und ging dann als Industrietechniker zu Cassella in Frankfurt. Bereits 1895 trat er zum Christentum über und gehörte zur reformierten Gemeinde. Er heiratete Marie, die Lutheranerin war und zur damaligen Lukasgemeinde gehörte. Als maßgeblicher Angestellter von Cassella, der viele Patente hatte, gehörte er zu den Geheimnisträgern, die in der Nazizeit nicht ausreisen durften. Er hoffte, dass sich das ändern würde und ging als Leiter des Hauptlabors zu Bayer in Leverkusen.

Doch das alles half nicht. Nach dem Novemberpogrom 1938 wurde der 65-jährige in Frankfurt verhaftet, kam auf das Messegelände und wurde vom Südbahnhof aus ins das KZ Buchenwald deportiert. Bereits am 28. November wurde Kalischer sterbenskrank wieder nach Frankfurt gebracht, wo er am 1. Dezember 1938 verstarb. Sein Tod durfte nicht bekanntgemacht werden. So stand seine Witwe mit Pfarrer Haas von der Lukaskirche allein am Grab.

Marie Kalischer emigrierte dann, nachdem sie ihre gesamte Barschaft und das Haus in der Böcklinstraße an das Finanzamt verloren hatte, kam aber nach dem Krieg wieder nach Deutschland. Sie stiftete unter anderem ein Fenster für die Lukaskirche, das heute in der Sakristei zu sehen ist und den Apostel Johannes mit einem Kelch darstellt.

Natascha Schröder-Cordes von der Dreikönigsgemeinde berichtete dann über die Stolpersteinaktion, an der sich die Gemeinde in Sachsenhausen beteiligt. Das Künstlerduo Siebrecht & Pempeit sprach über die Gestaltung des Mahnmals. Es galt den Raum zwischen Vergessen und Erinnern auszufüllen. So soll das erste Glasbild ein verhärtetes Herz symbolisieren, das mittlere steht für die vom Pogrom Betroffenen und das rechte für transzendentes Licht.

Joachim Heinzelmann sprach ein Grußwort für das Unternehmen Allessa und betonte, er sei stolz darauf, dass die Firma sich finanziell an dem Mahnmal beteiligt habe. Schließlich habe nach dem Krieg die Cassella viel aus Kalischers Patenten profitiert.

Wer mehr über die Entstehungsgeschichte des Mahnmals, die Beteiligten und die Eheleute Kalischer erfahren möchte, findet Informationen auf der Internetseite mahnmal-kalischer.de