Vom Familienwohnsitz zur Wohngemeinschaft Buch über die Villa Darmstädter Landstraße

Bei der Buchvorstellung las Rudolf Wagner viele Auszüge aus seinem Werk über die wechselvolle Geschichte des Hauses. Foto: Schieder

Sachsenhausen (ms) – Sein Buch über die wechselvolle Geschichte des Hauses stellte Rudolf K. Wagner in der Villa Darmstädter Landstraße 109 vor. Es entstand im Rahmen seiner Tätigkeit als Stadtteilhistoriker für die Stiftung Polytechnische Gesellschaft.

Wagner dankte der Hausbewohnerin Yvonne Ford, die dazu die Räume des dort ansässigen Institute of Cultural Affairs (ICA), zur Verfügung gestellt hatte. Nicht nur etliche Hausbewohner, sondern auch Zeitzeugen, die er über die Villa befragt hatte sowie interessierte Sachsenhäuser waren erschienen.

Für seinen Großvater, Rudolph Henrich und seine Familie, hatte es 1898 Carl Friedrich Henrich auf dem Grundstück der Brauerei Joh. Gerh. Henrich errichten lassen. Damals umfasste das Grundstück die Liegenschaften Darmstädter Landstraße 109 bis 125. Gekauft hatte es Carl Friedrich Henrich mit den Felsenkellern und etablierte dort einen Brauereiausschank. Der Stammsitz der Brauerei war in der Altstadt in der Stelzengasse 4. 1921 fusionierte die Brauerei mit Henninger, doch das Grundstück blieb im Besitz der Familie Henrich. E gab dann eine Erbengemeinschaft und die Brauereiliegenschaft wurde vermutlich 1943 zwangsversteigert. Die Villa ersteigerte die Stadt Frankfurt.

Wagner ist Urenkel des Erbauers

Wagner selbst erfuhr von seinen Beziehungen zur Familie Henrich erst nach dem Tod seines Vaters im Jahre 1977. Sein Vater war der uneheliche Sohn von Rudolph Henrich, der allerdings die Vaterschaft des Sohnes von Anna Schneider anerkannte. So erfuhr er, dass er ein Urenkel des Erbauers ist. Die Ehe von Rudolph Henrich muss nicht sehr glücklich gewesen sein, trotz der vier Kinder. Die älteste Tochter war später die Mutter von Bruno Schubert (Henninger Bräu). Als die Kinder erwachsen waren, trennte sich das Ehepaar und die Frau ging zurück in ihre Heimat Bayern. Der Vater zog auch aus der Villa fort.

Der nationalsozialistische „Bund Deutscher Mädel“ etablierte in dem Haus eine BDM-Führerinnenschule. Nach dem Zweiten Weltkrieg zogen die Diakonissen in die Villa. Sie hatten bei der Einrichtung des amerikanischen Sperrgebiets ihre Häuser im Nordend räumen müssen. Die Villa diente ihnen als Seniorenheim und später als Kindergarten der Sachsenhäuser Dreikönigsgemeinde. Pfarrer Fritz Cremer zog mit seiner Familie 1950 in die Villa. Als Pfarrer der inzwischen entstandenen Südgemeinde erteilte er hier auch Konfirmandenunterricht. Als die Südgemeinde ein eigenes Gemeindezentrum erbaut hatte, zog der Kindergarten aus. Zeitweise fanden hier dann christliche Disco-Abende statt, die viele junge Leute aus der Umgebung anzogen.

Drei Generationen unter einem Dach

1976 vermietete die Stadt die Villa an das ICA. Daneben etablierte sich im Haus eine zehnköpfige Wohngemeinschaft aus drei Generationen. Heute gehört die Villa, die seit 1988 unter Denkmalschutz steht, der ABG Holding. Der Band „Villa 109“ umfasst 124 Seiten mit rund 150 Abbildungen, hat ein Hardcover und kostete 27,90 Euro (IBN978-3-00-056574-8). Zu beziehen ist das Werk, das sich mit der Geschichte des Hauses und seiner Bewohner beschäftigt, im Buchhandel oder direkt beim Autor (R.K.Wagner[at]gmx[dot]de).