Denkmal für das jüdische Kinderhaus in der Hans-Thoma-Straße Ein Dreidel erinnert an Deportierte und Ermordete

Unter der Beteiligung von mehr als 100 Bürgern wurde auf dem „Platz der vergessenen Kinder“ gegenüber dem Haus Hans-Thoma-Straße 24, wo früher ein jüdisches Kinderhaus stand, ein Denkmal eingeweiht, das von der Künstlerin Filippa Petterson in Form eines Dreidels gestaltet wurde. Unser Bild. Lilo Günzler (am Rednerpult), daneben Oberbürgermeister Peter Feldmann. Foto: Schieder

Sachsenhausen (ms) – Kürzlich war ein großer Tag für die Initiative Jüdisches Kinderhaus Hans-Thoma-Straße 24. Seit dem siebzigsten Jahrestag der Deportation der letzten Kindergruppe am 15. September 1942 gab es alljährlich eine Gedenkfeier auf dem kleinen Platz gegenüber dem Haus Hans-Thoma-Straße 24, der jetzt „Platz der vergessenen Kinder“ heißt. Initiiert wurde sie 2012 von Mitgliedern der Maria-Magdalena- und der Dreikönigsgemeinde. Pfarrer Volker Mahnkopp hatte schon damals begonnen, sich mit der Geschichte des jüdischen Kinderhauses zu befassen, das 1919 vom Verein der weiblichen Fürsorge israelitischer Frauen zur Förderung gemeinnütziger Bestrebungen gegründet wurde. Aufgenommen wurden jüdische Kinder vom Säuglingsalter bis zum sechsten Lebensjahr aus bedürftigen Familien und Waisen. Während der Nazizeit dehnte sich die Altersstufe bis zu 14 Jahren aus. Am 26. April erfüllte sich nun der Wunschtraum der Initiative und auf dem Platz wurde ein Denkmal für das Kinderhaus eingeweiht. Neben Oberbürgermeister Peter Feldmann und Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig waren auch Ortsvorsteher Christian Becker, der die Initiative von Anfang an unterstützt hat, viele Mitglieder der Jüdischen Gemeinde sowie zwei Rabbiner, Stadtverordnete, Vertreter des Konsulats, der Stadtdekan und der Anne-Frank-Begegnungsstätte gekommen. Als erstes kam als Zeitzeugin Lilo Günzler zu Wort. Ihre Mutter war Köchin im Kinderhaus und sie holte am Tag vor der Deportation gemeinsam mit ihrer Mutter ihren Bruder Helmut aus dem Kinderhaus ab. So entkam er dem Abtransport in die Vernichtungslager, die nur sechs der 43-köpfigen Kindergruppe überlebten. „Das Denkmal wurde von der Initiative gemeinsam mit der Stadt geplant und umgesetzt. Gestaltet hat es die in Schweden geborene Künstlerin Filippa Petterson. Sie hat die Skulptur eines Dreidels gewählt. Mit dem Dreidel, meist einem hölzernen Kreisel, spielten die Kinder beim jüdischen Lichterfest Chanukka. Wir gedenken damit der vielen Kinder und derer, die sich um ihr Wohl sorgten, und die von den Nationalsozialisten in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert und dort ermordet wurden. Wir zeigen auch, dass in unserer modernen Stadt kein Platz für Antisemitismus ist,“ sagte Feldmann, der auch der Schirmherr der Aktion ist.

„Dieses Kunstwerk und der neue gestaltete Platz schaffen einen Ort der Erinnerung. Der Dreidel mag symbolisch nicht nur für den kostbaren Schatz der Kindheit stehen. Zusammen mit dem Platz erinnert er auch an ein Haus, in dem viele Kinder wie auf einer Insel im braunen Meer lebten und wo versucht wurde, ihnen trotz schwierigster Umstände ein liebevolles Zuhause zu bieten,“ stellte Kulturdezernentin Hartwig fest. Auch Marc Grünbaum, der Kulturdezernent der Jüdischen Gemeinde, und Ortsvorsteher Christian Becker erinnerten an die Geschichte des Hauses und bekräftigen die Aussage, dass sich die Geschichte nicht wiederholen dürfe.

Für die Initiative sprachen die Frau des erkrankten Pfarrrers Mahnkopp, die Vorsitzende Bärbel Lutz-Saal und Natascha Schröder-Cordes. „Unter den vielen Bewerbungen hat uns Filippa Pettersons klarer Entwurf auf Anhieb am meisten überzeugt“, erklärte Natascha Schröder-Cordes. Die Künstlerin arbeitet und lebt in Frankfurt. Sie war Städel-Schülerin.

Die Finanzierung des Kunstwerks, das 27.000 Euro kostete, erfolgte zum Großteil durch Stiftungen und Spenden sowie einen Zuschuss der Stadt und des Ortsbeirats.

Zum Abschluss der Feierstunde trugen Schüler der benachbarten Schiller- und Carl-Schurz-Schule die Namen der deportierten Kinder vor.

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