Psychiatrieseelsorger Helmut Preis berichtet aus seiner Arbeit an der Uni-Klinik Was ist eigentlich normal?

Empathie und gut zuhören können: Das macht Psychiatrieseelsorger Helmut Preis aus. Foto: Universitätsklinikum Frankfurt/p

Sachsenhausen (red) – Keinen Menschen abschreiben: Das ist einer der Grundsätze, von denen sich Helmut Preis in seiner Arbeit leiten lässt. In der Psychiatrie sei er dafür noch einmal mehr sensibilisiert worden, sagt der katholische Theologe. Er ist Seelsorger in der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Universitätsklinik Frankfurt und dem Zentrum der Neurologie und Neurochirurgie und stellt sich dort oft die Frage, was eigentlich normal ist und ob eine solche Zuschreibung überhaupt weiterführt.

Wenn ein Mensch eine Psychose habe und absonderliche Verhaltensweisen zeige, zum Beispiel in der Stadt herumschreie, besitze er trotzdem Würde und Wert. Und schädige damit ja auch erst einmal niemanden. Diese Grundeinstellung erweitere den Horizont, hat der Pastoralreferent erfahren, der aus Überzeugung und eigenem Wunsch seit rund zwei Jahren an genau diesem Ort eingesetzt ist. Manchmal sei es schon eine Sisyphos-Arbeit, räumt er mit Blick auf die sogenannten Drehtürpatienten ein. Wenn „alte Bekannte“ wieder auf der Station auftauchten, führe das beim Personal mitunter zu einem leisen Aufseufzen, wie er beobachtet hat. „Da geht es um ein Gefühl von Vergeblichkeit und Sinnlosigkeit.“ Er selbst aber habe eine ganz andere Rolle als Psychologen und Ärzte: „Sie sind sehr konkret auf die Therapie und deren Erfolg konzentriert, bei mir kann es auch um den göttlichen Funken in jedem von uns gehen.“

„Psyche heißt Seele: Eigentlich haben Psychiater und Psychologen und wir Seelsorger sogar dasselbe Thema“, meint er und spricht von einer „guten Koexistenz“. Allerdings sieht er sich nicht als Teil des Behandlungskonzepts. Die Seelsorge sei ein offenes Angebot für alle in der Klinik, die Mitarbeiter eingeschlossen, mit denen er vor allem „Tür- und Angelgespräche“ führe. „Wir Seelsorger bieten uns selbst an, als Menschen, die durch eine Lebens- und Glaubensgeschichte geprägt sind.“

Dass die meisten Menschen keine voreiligen Ratschläge brauchen, steht für ihn ebenso sicher fest. Stattdessen gehe es darum, gut zuhören zu können und die Not und den Bedarf jedes Einzelnen empathisch wahrzunehmen. Dass sein Angebot nicht zeitlich gebunden ist, empfindet er als Luxus. „Ich kann meinen Gesprächspartnern so viel Zeit geben, wie nötig und muss nicht nach 40 Minuten abbrechen, weil die Krankenkasse das sonst nicht mehr abrechnet.“

Manchmal gehe es auch nur darum, die Ohnmacht zu teilen. Zum Beispiel, wenn mit der Bitte „Holen Sie mich hier raus!“ konfrontiert wird. „Das ist ein Hilferuf: Den muss ich hören als Seelsorger“, sagt Preis. Den Wunsch erfüllen könne er natürlich nicht, aber die Hilflosigkeit gemeinsam mit dem Betroffenen aushalten. Das sei schon sehr viel.