Erinnerungen an unvergessene Kino-Abende Erste partizipative Ausstellung im Deutschen Filmmuseum

Lucie Thieme und ihre Autogrammsammlung als Bestandteil der Ausstellung. Foto: Faure

Sachsenhausen (jf) – Fast hätte Lucie Thieme bei ihrem Umzug nach Frankfurt vor ein paar Monaten den Karton mit den Autogrammkarten entsorgt. Gut, dass sie sich dagegen entschieden hatte – jetzt gehören ihre über 50 original signierten Schwarz-Weiß-Porträtkarten mit zur Sonderausstellung „Zusammen sammeln. Wie wir uns an Filme erinnern“ in der dritten Etage des Deutschen Filmmuseums.

Lucie Thieme ist eine von über hundert Sammlern zwischen 19 und 85 Jahren, die dem Aufruf des Museums folgten und ihre Schätze zur Verfügung stellten. „Die Exposition ist ein Pilotprojekt, in dem es um viele Facetten des Mediums Film geht“, sagte Claudia Dillmann, Direktorin des Deutschen Filminstituts und Filmmuseums zur Vorbesichtigung. Zusammengekommen sind berührende, lustige, erhellende und verstörende Objekt, die von Eintrittskarten bis zur großen, dekorativen Wandleuchte aus einem nicht mehr existierenden Kino reichen.

„Dabei ist der kreative Umgang mit Erinnerungsstücken erstaunlich“, erklärte Dillmann und verwies auf ihr Lieblingsobjekt, einen Pullover, den die Besitzerin mit signierten Stoffteilen – darunter Autogramme von Frank Sinatra und Marylin Monroe – veredelt hatte. Die Objekte aus privater Hand wurden mit Stücken aus dem Bestand des Filmmuseums ergänzt.

Abendkleid von Maria Schell

So wird ein cremefarbenes Abendkleid von Maria Schell ausgestellt, umrahmt von Dutzenden von Kinokarten an den Wänden. Manche Kinogänger waren von ihren Stars so fasziniert, dass sie sich deren Porträts auf die Haut tätowieren ließen – eine Fotoserie beweist das. „Außerdem stammt der Grundstock unserer Archive aus den Beständen des Frankfurter Filmbegeisterten Paul Sauerländer“, bemerkte Dillmann. Privates und institutionelles Sammeln sind nicht so weit voneinander entfernt.

Kulturdezernent Felix Semmelroth erinnerte sich noch genau an seinen ersten Kinobesuch: „Der Film, zu dem mich meine Eltern ins Filmtheater ‚Kaskade’ in Kassel mitnahmen, hieß ‚Und ewig singen die Wälder’ mit Hansjörg Felmy und Gert Fröbe. Da habe ich auch den Raum Kino kennengelernt.“ Auch an den Spielfilm „Blow Up“, 1966, denkt der Stadtrat: „Dieser Streifen hat uns junge Leute damals ziemlich beschäftigt.“ Und Semmelroth verbindet mit früheren Kino-Besuchen auch einen häufig übellaunigen Türsteher im ehemaligen Frankfurter Kino „Lux“ und Verkäufer, die mit ihren Bauchläden durchs Kino gingen.

Ausstellung soll weiter wachsen

„So einen Bauchladen finden Sie auch in der Exposition“, knüpfte Kurator Wolfger Stumpfe an. „Wir wollten keinen Beitrag zurückweisen und hoffen, dass die Ausstellung, die bis zum 16. Mai gezeigt wird, während ihrer Dauer wächst – es ist noch Platz.“

Die Exposition gliedert sich in drei Bereiche: Erinnern, Sammeln, Bewahren und ermöglicht dem Besucher erstaunliche Entdeckungen und sicher die eine oder andere Erinnerung an eigene Kinoerlebnisse.

Lucie Thieme steht vor ihrer Autogrammsammlung. „Als ich von der Schule kam, habe ich immer gefragt: ‚Mutti, ist Post für mich da?’ Ich bin in Leipzig geboren und im Erzgebirge aufgewachsen. Manchmal wurden da auch Westfilme gezeigt, amerikanische allerdings nie. Und in den Programmheften standen die Autogramm-Adressen der Stars, also habe ich hingeschrieben und die ganzen Karten erhalten“, erzählte Thieme. 1958 ging die Familie in den Westen. „Da habe ich zwar weiter geschrieben, aber keine Autogrammpost mehr bekommen. Merkwürdig, oder?“, sagte sie. Zwei Autogrammkarten hat sie von ihrer Lieblingsschauspielerin Gina Lollobrigida. „Nur von Gérard Philipe habe ich keine. Den mochte ich besonders gern“, verriet sie.