Gute Lösung auf kleinem Raum „Frankfurter Küche“ im Museum Angewandte Kunst

Dieter Rams (von links), Lore Kramer und Klaus Klemp bewundern die „Frankfurter Küche“. Foto: Faure

Sachsenhausen (jf) – Im Museum of Modern Art in New York ist seit 2009 eine „Frankfurter Küche“ zu sehen, vom Technischen Museum in Wien wurde ein Modell bereits 2004 erworben. Nur in den Frankfurter Ausstellungshäusern gab es bisher nichts dergleichen. Das hat sich geändert: Durch einen glücklichen Zufall ist die weltweit einzige komplett erhaltene „Frankfurter Küche“ nun Bestandteil der Dauerausstellung „Elementarteile“ des Museums Angewandte Kunst.

Selbst der Fußboden aus Solnhofener Platten ist nahezu original: „Nur drei Platten mussten ausgetauscht werden“, erläuterte der wissenschaftliche Mitarbeiter Christos-N. Vittoratos, der dem Kurator Klaus Klemp und dem Restaurator Christian Dressen zur Seite stand. „Seit vier Jahren beschäftigen wir uns mit dem Neuen Frankfurt, ein umfangreiches Vorhaben“, erklärte Matthias Wagner K, Direktor des Museums, zur Eröffnung dieses Ausstellungsteils. Der Zufall spielte eine große Rolle: Eine Dame aus der Wittelsbacher Allee rief 2015 im Museum an und erzählte, dass sie noch eine originale „Frankfurter Küche“ habe.

Die Spezialisten machten sich sofort auf und staunten: „Es war tatsächlich alles noch vorhanden, sogar der Original-Gummistopfen in der Spüle“, berichtete Vittoratos. Vorsichtig baute das Team die Küche ab, restaurierte sie behutsam in zweijähriger Arbeit. „Die Mieterin wusste offensichtlich, was für einen Schatz sie da hatte und behandelte die Küche aus dem Jahr 1928 die ganzen Jahre über sehr pfleglich“, fügte Vittoratos hinzu. Eigentümerin der Wohnung, zu der die Küche gehörte, ist die ABG Holding, sie stellte dieses besondere Exemplar dem Museum Angewandte Kunst als Dauerleihgabe zur Verfügung.

Vorläufer der modernen Einbauküche

Entwickelt hat die „Frankfurter Küche“, Vorläufer der modernen Einbauküche, Margarete Schütte-Lihotzky (1897 bis 2000). Sie war die erste Frau in Österreich, die Architektur studierte und dieses Studium 1919 in Wien erfolgreich abschloss. Bereits dort entwarf sie für die industrielle Produktion geeignete „Einheitsmöbel“. Ernst May, seit 1925 Siedlungsdezernent in Frankfurt, holte Lihotzky 1926 an den Main, sie arbeitete in der Abteilung „T“ (Typisierung, Standardisierung, Normierung) und konzipierte noch im gleichen Jahr die erste „Frankfurter Küche“. Der Einsatz neuer Haushaltsgeräte und die Verkürzung der zeitaufwendigen Hausarbeit war für Lihotzky ein wichtiger Aspekt der Emanzipation.

„In Frankfurt startete das Projekt des neuen Bauens bereits mit Oberbürgermeister Ludwig Landmann, der als Dezernent für Wirtschaft, Verkehr und Wohnungswesen 1919 die Frankfurter Messe wiederbelebte. 1923 übernahm Fritz Wichert die Leitung der Frankfurter Kunstgewerbeschule, 1925 kam Ernst May – damit gab es in Frankfurt eine einmalige Konstellation“, bemerkte Klaus Klemp. Das Problem war, Geringverdienenden massenhaftes Wohnen zu ermöglichen. Das ging nur aufgrund weitreichender Typisierung. 

Komfort, kurze Wege und moderne Geräte

Eine Verkleinerung der Küche war notwendig, Komfort, kurze Wege und moderne Geräte erleichterten die Arbeit. Lihotzky, seit 1927 mit ihrem Kollegen Wilhelm Schütte verheiratet, wollte den weiblichen Arbeitsbereich von anderen Räumen trennen, die Wohnküche hatte bei ihr ausgedient. Sie selbst wollte sich allerdings nicht in die Haushaltsecke drängen lassen. „Ihre Überlegungen wurden viel diskutiert, die ‚Frankfurter Küche’ entwickelte sich in einem kollektiven Prozess“, sagte Klemp. Und sie kam bei den Hausfrauen zunächst nicht gut an, viel Werbung und Überzeugungsarbeit waren notwendig. Sowohl die Eisenbahnküche der Mitropa als auch Elemente aus der Haarer Küche Frankfurt inspirierten Schütte-Lihotzky. „Sie hat Vorhandenes intelligent kombiniert“, meinte der Kurator, „konzentrierte sich auf kleine, effiziente Räume“.

Die „Frankfurter Küche“ war auf einer Fläche von rund 1,90 Meter Mal 3,40 Meter untergebracht. Etwa 10.000 dieser Küchen wurden gefertigt, die erste kostete noch 563 Reichsmark, spätere Modelle 238,50 Reichsmark. Schließlich zahlten die Mieter der Wohnungen, die bereits mit einer dieser Küchen ausgestattet waren, lediglich eine Reichsmark Umlage monatlich. Glücklich ist man im MAK, nun so eine vollständig erhaltene Küche zeigen zu können – selbst die Original-Zarge, die erste aus Stahl, gehört dazu. „Allerdings suchen wir noch eine Gebrauchsanweisung im Original – die gab es tatsächlich 1927“, bemerkte Klemp.