„Großstadt, Arbeitsleben und suizidales Verhalten“ Gesellschaft für Suizidprävention tagt in Frankfurt

Im Podium von links: Michael Witte, Dr. Christiane Schlang, Dr. Uwe Sperling, Prof. Dr. Barbara Schneider, Prof. Dr. Jürgen Graf und Prof. Dr. Andreas Reif. Foto: Faure

Sachsenhausen (jf) – 10.000 Menschen begehen in Deutschland jährlich Suizid, in Frankfurt sind es 90. „In der Bundesrepublik gibt es dreimal mehr Tode durch Suizid als durch Verkehrsunfälle, Gewalttaten und illegale Drogen zusammen“, stellte Professor Barbara Schneider, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention – Hilfe in Lebenskrisen (DSG) fest. 

Auf jeden begangenen Suizid kommen zehn Versuche. Zwar seien die Zahlen seit den 1980er Jahren rückläufig, aber dennoch zu hoch. Dem Thema hat sich das Frankfurter Trio zur Suizidprävention angenommen, bestehend aus dem 2017 entwickelten Frankfurter Projekt zur Prävention von Suiziden mittels Evidenz-basierter Maßnahmen (FraPPE), dem seit 2014 bestehenden Frankfurter Netzwerk für Suizidprävention (FRANS) und dem 2016 gegründeten Bündnis gegen Depression in Frankfurt.

Seit 2017 bis zum Jahr 2020 fördert das Bundesministerium für Gesundheit 14 Projekte für Aufklärung und Forschung zur Suizidprävention mit insgesamt 3,5 Millionen Euro – darunter auch die Frankfurter Projekte. „FraPPE, eine Kooperation zwischen unserer Klinik, dem Institut für Rechtsmedizin und dem Institut für Allgemeinmedizin sowie dem Gesundheitsamt und weiteren psychiatrischen Kliniken ist kurz erklärt die wissenschaftliche Begleitung von FRANS“, sagte Professor Dr. Andreas Reif, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Frankfurt. 

Bündnis gegen Depression hilft Betroffenen

„Das Bündnis gegen Depression arbeitet mit Hausärzten, der Öffentlichkeit und verschiedenen Multiplikatoren zusammen. Wir erstellen Angebote für Betroffene und Angehörige. FraPPE bietet ab September 2018 spezielle Schulungen für Hausärzte an, um gefährdete Personen zuverlässiger zu erkennen“, erklärte Reif. Durchschnittlich 35 Suizidversuche monatlich werden in den psychiatrischen Kliniken Frankfurts registriert, Schätzungen gehen von 150 Versuchen aus. Macht die Großstadt krank? „Die Studienlage zu Suiziden und dem Unterschied zwischen Stadt und Land ist unklar“, sagte Schneider.

Zwar sei die Zahl von durchschnittlich 90 Suiziden in Frankfurt etwas höher als der Bundesdurchschnitt, aber nur ein Drittel dieser Menschen komme tatsächlich aus Frankfurt. Besonders junge Frauen und ältere, einsame Männer seien gefährdet. „Wenn Sie auf dem Bahnhof jemanden unschlüssig außerhalb der Menschenansammlungen am Gleis stehen sehen, sprechen Sie ihn an. Das gilt auch für anscheinend verzweifelte Menschen auf Brücken. Die Telefone auf der Golden Gate Bridge haben schon Leben gerettet“, bemerkte Schneider.

Permanente Reize und Stadtstress

90 Prozent aller Suizide gehen auf psychologische Erkrankungen zurück. 80 Prozent aller Menschen, die einen Selbstmordversuch unternahmen, wiederholen das nicht. „Natürlich sind die verbleibenden 20 Prozent immer noch zu viel“, sagte Reif. „Es gibt viele Programme für Gefährdete. Doch Menschen, die nicht mehr in einer Maßnahme sind, können kaum erreicht werden“, ergänzte Schneider. „Trotzdem haben wir in den vergangenen knapp 30 Jahren viel erreicht“, äußerte Michael Witte, Geschäftsführer der DGS. So habe es vor der Wende allein in Westberlin 1000 Selbstmorde jährlich gegeben, nun sind es 400 – für ganz Berlin.

Privatdozent Dr. Mazda Adli, Chefarzt der Fliedner Klinik Berlin und Leiter des Forschungsbereiches Affektive Störungen an der Charité, forscht, wie unser Gehirn auf permanente Reize und Stadtstress reagiert. Wenn Städte lebenswert sind, habe das auch Einfluss auf die Psyche. Auf diese Weise kann urbanem Stress und seinen manchmal suizidalen Folgen durchaus entgegengewirkt werden. Wer mehr wissen will oder Hilfe braucht, kann sich unter www.suizidprophylaxe.de und unter www.frans-hilft.de informieren oder unter Telefon 069 63013113 eine psychiatrische Klinik in Frankfurt erreichen.