Projekte fördern Nachwuchs bei Allgemeinmedizinern Kompetenzzentrum unterstützt künftige Hausärzte

Josef Pfeilschifter (von links), Ferdinand Gerlach, Stefan Grüttner und Stefan Bösner. Foto: Faure

Sachsenhausen (jf) – Hessen ist Vorreiter der Entwicklung: „Schon 1979 wurde das Institut für Allgemeinmedizin an der Goethe-Universität gegründet, seit 2004 ist Prof. Dr. Ferdinand M. Gerlach Direktor“, erklärte Prof. Dr. Josef Pfeilschifter, Dekan des Fachbereichs Medizin und Pharmakologie am Klinikum der Goethe-Universität. Ein „Hausarzt-Pfad“ könne bereits während des Medizin-Studiums eingeschlagen werden.

Ein kurzer Film über allgemeinmedizinische Seminare, die es in Hessen seit 2013 gibt, verdeutlicht, wie wichtig diese Angebote sind. „Seit 2012 gibt es das vom Land geförderte Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin mit Standorten in Frankfurt und Marburg. Es betreut mittlerweile 31 Weiterbildungsverbünde, 179 Ärzte nehmen an den Maßnahmen teil. Bis 2018 wurden dafür 1,45 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Nun wird das bundesweite Standardangebot seit der Einführung von Kompetenzzentren in Deutschland im Juli 2017 in Hessen durch vier Zusatzleistungen ergänzt“, erläuterte der Hessische Gesundheitsminister Stefan Grüttner.

Prof. Dr. Ferdinand M. Gerlach ergänzte: „Wir sind auf einem guten Weg, Hessen ist vorn und Modell für Deutschland geworden.“ Prof. Dr. Stefan Bösner, Philipps-Universität Marburg und Dozent am Kompetenzzentrum, informierte: „Wir unterrichten in den Seminaren nach Leitsymptomen. Studium und Weiterbildung werden verzahnt. Das ist attraktiv.“ Auch die jungen Ärztinnen Elke Schneider, seit Februar 2018 Fachärztin für Allgemeinmedizin in Flörsheim – sie nimmt seit 2015 an den Weiterbildungen teil, und Esther Dorsch, im dritten Weiterbildungsjahr in einer Praxis im Stadtteil Sachsenhausen, schätzen das Kompetenzzentrum.

Ganze Familien vom Säugling bis zum 100-Jährigen kennenlernen

„Innere Medizin und Chirurgie sind zwar interessant, haben mich aber nicht glücklich gemacht. Ich habe zwei Jahre in einer städtischen Praxis in Frankfurt gearbeitet, da ergaben sich viele Fragen. Das Kompetenzzentrum half“, erklärte Schneider, die zurzeit als angestellte Ärztin tätig ist, ihre Doktorarbeit schreibt und sich später vielleicht niederlassen möchte. „Die Allgemeinmedizin macht Spaß und bietet Abwechslung. Wir lernen ganze Familien – vom Säugling bis zum 100-Jährigen – kennen“, sagte die Ärztin.

„Vielleicht ist Allgemeinmedizin technisch nicht so anspruchsvoll, aber man lernt viele Menschen kennen“, äußerte auch Esther Dorsch, die in Frankfurt Medizin studierte und zurzeit in einer Berufsausübungsgemeinschaft mit zwei Chefärzten als Assistenzärztin arbeitet. Zur Praxis gehören außerdem fünf medizinische Fachangestellte, eine davon kümmert sich vor allem um ambulante Fälle. Dorsch macht selbst Hausbesuche, die etwa die Hälfte der Arbeitszeit beanspruchen. „Die Verbindung zu anderen Ärzten ist für uns essenziell. Mein Chef hat ein gutes Netz an Kontakten, das ich ebenfalls nutzen kann“, sagte Dorsch.

Mehr Hausärzte ausbilden

„Wir müssen doppelt so viele Hausärzte ausbilden, wie in den nächsten Jahren in Rente gehen. Das Durchschnittsalter der Hausärzte in Hessen liegt bei 54 Jahren, die Arbeitszeit beträgt rund 60 Stunden in der Woche. Das bedeutet: Künftig müssen drei junge Ärzte zwei ältere Kollegen ersetzen. Bei sechs Studienjahren und fünf bis acht Weiterbildungsjahren geht viel Zeit ins Land“, erläuterte Ferdinand M. Gerlach. Außerdem müssen Bedingungen wie Kinderbetreuung und Teilzeitarbeit geschaffen werden, um Anreize zu bieten.

„Wir denken auch über Entlastungen durch Assistenten, also nichtärztliches Personal, nach und haben im April E-Health, also den Einsatz von Telemedizin, auf den Weg gebracht“, ergänzte Stefan Grüttner. In den vier Projekten des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration in Kooperation mit dem Kompetenzzentrum Allgemeinmedizin geht es um Peer-Mentoring, Spezialtage wie Notfall-Training im Rahmen der Seminare, um „Landtage“, an denen Nachwuchsärzte Praxen besuchen und um die Evaluation der Maßnahmen.