Einblicke in die jüngere Geschichte Neue Fotoausstellung im Museum Giersch

Inge Werth plaudert über ihre Arbeit als Fotografin. Foto: Faure

Sachsenhausen (jf) – Inge Werth steht eindeutig lieber hinter der Kamera und ungern im Zentrum des Interesses. Das lässt sich allerdings bei einer Ausstellung, die ihre Fotografien zeigt, nicht vermeiden. „Wir sind in Vorbereitung der Exposition ‚Freiraum der Kunst’, die bis Anfang Juli im Museum Giersch der Goethe-Universität zu sehen war, auf die Fotografin Inge Werth aufmerksam geworden“, informierte Museumsleiter Manfred Großkinsky. Werth hatte beispielsweise ein Fluxus-Konzert in Schwarz-Weiß-Bildern festgehalten.

Im Juni 2017 besuchte Großkinsky die Fotografin: „Wir fanden ein fotografisches Lebenswerk von unermesslicher Fülle, einen historisch ungemein wertvollen Bestand.“ Bislang seien die Bilder kaum öffentlich zu sehen gewesen, nun ist eine erste größere Ausstellung zustande gekommen. Aus Positiven, Negativen und Kontaktabzügen habe man 112 neue Ausdrucke und 13 historische Ausdrucke für die Exposition zusammengestellt. Inge Werth fotografierte mit einer Kleinbildkamera, wollte das Unmittelbare festhalten, inszenierte nicht. Stets war ihr der Respekt vor ihrem Gegenüber wichtig.

Zu sehen sind in verschiedenen Räumen Fotos von 1966 bis 1973. „Dabei sind die Studentenunruhen 1968 in Paris mit der Barrikaden-Nacht sicher der Höhepunkt“, urteilte Kuratorin Viola Hildebrand-Schat, Kunstgeschichtliches Institut der Goethe-Universität. Die Bilder erzählen Geschichten, von Umbruchjahren, Revolten, Friedensmärschen, Buchmesse-Auftritten, Theaterskandalen, Protesten, der Frauenbewegung und von Hausbesetzungen. Inge Werth gehört mit Barbara Klemm und Abisag Tüllmann zu den wichtigsten Dokumentar-Fotografinnen ihrer Zeit. „Ich wollte die Dinge zeigen, wie sie sind, ohne selbst Stellung zu nehmen. Ich habe nie mit einer roten Scheuklappe gearbeitet. Mir kommt es darauf an, die Atmosphäre einzufangen“, sagte die Dame, die eigentlich gar nicht über sich sprechen wollte.

Bilder in der Dunkelkammer entwickelt

Sie entwickelte – wie es in ihrer Zeit üblich war – ihre Bilder in der eigenen Dunkelkammer. Das Fotografieren hat sich die 1931 in Stettin Geborene selbst beigebracht, als sie eine Kamera geschenkt bekam. Erste Fotos schickte sie 1963 an „Die Zeit“ – erfolgreich, die Bilder wurden auf einer Doppelseite gebracht. Sie hat für die „FAZ“, die „Frankfurter Rundschau“, die „Frankfurter Neue Presse“, für „Konkret“ und für „pardon“ gearbeitet, war weltweit unterwegs. Bereits seit 1953 fanden in Frankfurt Jazzfestivals statt, später fotografierte Werth Albert Mangelsdorff, aber auch Jimi Hendrix und John Mayall.

In den 1960er Jahren formierte sich die Friedensbewegung, 1966 trat Joan Baez beim Ostermarsch in Frankfurt auf. Über den Vietnamkrieg wurde viel diskutiert. Von 1966 bis 1968 war Werth in Frankreich, erlebte die Studentenrevolte im Mai 1968 aus nächster Nähe, fotografierte. Die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels im Herbst 1968 an den senegalesischen Staatspräsidenten und Schriftsteller Léopold Sédar Senghor löste Proteste vor der Paulskirche aus – Werth hat das mit der Kamera festgehalten.

Brisantes mit der Kamera dokumentiert 

Genauso wie die Demonstrationen der Frauen, die sich nicht mehr alles gefallen lassen wollten: „Das Weib sei willig, dumm & stumm. Diese Zeiten sind jetzt um“, heißt es auf einem Plakat. Um straffreie Abtreibung und neue Erziehungsmethoden ging es, um ein neues Theater unter Peter Handke und Claus Peymann, um neue Bücher und ein Umdenken in den Verlagen. Hausbesetzungen und Solidaritätskundgebungen dokumentierte Werth ebenfalls mit ihrer Kamera. Die Momentaufnahmen der Zeitgeschichte sind bis zum 14. Oktober im Museum Giersch am Schaumainkai 83 in Frankfurt zu sehen. Im Museum werden zudem Programme für Kitas und Schulklassen angeboten, auf der Seite www.museum-giersch.de kann man sich informieren.