Verleger Axel Dielmann präsentiert seine Literaturzeitschrift Neustart für „Schritte“

Verleger Axel Dielmann mit dem ersten Exemplar der erneut aufgelegten Zeitschrift. Foto: Faure

Sachsenhausen (jf) – Verleger Axel Dielmann drückte im Café „Amelie’s Wohnzimmer“ in Sachsenhausen stolz jedem Gast ein druckfrisches Exemplar von „Schritte“ in die Hand: Nach über 20 Jahren startet die Zeitschrift für Literatur erneut.

„1982 habe ich eigentlich aus Eitelkeit mit der Zeitschrift angefangen, neben eigenen Beiträgen kamen schnell Texte anderer Autoren dazu. Die Ausgaben lagen zunächst in 40 Cafés aus, waren zuerst noch kopiert, nur das Cover war gedruckt. Die Blätter im Format A 3 – dabei sind wir geblieben – wurden in wertige Zeitungshalter gesteckt und hingen etwa drei Monate aus“, erzählte Dielmann. Er hat nicht nur die erste neue Ausgabe dabei, sondern auch ältere Exemplare mitgebracht. Einige Autoren sind zu dieser besonderen Premiere anwesend, darunter Ewart Reder, Judith Hennemann, Dirk Hülstrunk, die Künstler Brigitte Kottwitz und Andreas Rohrbach – er gestaltete das neue Cover.

„Die Zeitschrift wurde nachgefragt, neben Frankfurt kamen Cafés in Darmstadt und Berlin dazu. Schließlich lag ‚Schritte’ in 1400 Kaffeehäusern in 34 Städten aus und erreichte rund 200.000 Leser pro Heft“, erinnerte sich Dielmann. Wäschekörbe voller Manuskripte seien eingegangen. „Von Herta Müller hatten wir im Heft 7 eine kleine Geschichte – der Name ist natürlich heute werbewirksam“, setzte der Verleger verschmitzt hinzu. Es habe auch immer wieder kleine Entdeckungen verrückter Autoren gegeben. Beispielhaft las Dielmann ein Gedicht von Rolf Werner Kunz. Dann folgte der skurrile Text von Herta Müller. „Irgendwann wurden die Manuskripte so umfangreich, dass als logische Konsequenz im Mai 1993 der Axel Dielmann Verlag gegründet wurde. ‚Schritte’ sind also die Wurzel des Verlages“, erklärte Dielmann.

Von Schritte sind in unregelmäßiger Folge insgesamt 14 Hefte erschienen. Die Ausgaben 1982 bis 1992 verantworteten neben Dielmann Klaus Hensel, Stefan Klamke und Rolf Werner Kunz. 1996 hatte es ein kurzes Comeback gegeben, aber Verlag und Zeitschrift gleichzeitig waren nicht zu schaffen. Dazu kam der Niedergang der Kaffeehäuser. Und heute? „Wir versuchen es und sind zuversichtlich, die Zeiten haben sich geändert, Cafés sind wieder beliebt. Außerdem wollen wir ein literarisches Angebot jenseits des Mainstreams unterbreiten“, sagte Dielmann.

Ein weiterer Grund für den Neustart ist die Finanzierung. Der Verleger beteiligte sich mit seinem Projekt bei der vierwöchigen Crowdfunding-Initiative „kulturMut“, initiiert 2013 von der Aventis Foundation und Startnext, seit 2016 mit dem Kulturfonds Frankfurt RheinMain als Partner. Er landete damit auf dem 15. Platz, hatte 100 Unterstützer und konnte das Fundingziel 12.000 Euro erreichen, weil die Aventis Foundation und der Kulturfonds Frankfurt RheinMain das fehlende Geld – etwa 8000 Euro – zuschossen. „Damit sind die ersten beiden Schritte-Ausgaben 2017 gesichert“, erklärte Dielmann. Insgesamt förderte kulturMut 25 Projekte.

„Crowdfunding hat auch Nebenwirkungen – zuerst sagten Cafés in 25 Städten zu, während der Kampagne sind noch 14 Städte gewonnen worden, anschließend weitere vier. Crowdfunding ist also mehr als nur die Finanzierung eines Projekts“, ergänzte Dielmann. Im ersten Heft sind 46 Beiträge von 18 Autoren versammelt, die Gestaltung entspricht eher Collagen als gewohnten Magazin-Seiten. Eine Anzeige ist in einem großformatigen QR-Code versteckt – eine durchaus interessante Werbeform, die das Konzept der Zeitschrift nicht unterbricht oder stört. Ob die Autoren über den schwarzen Bundsteg ihre Leser tatsächlich erblicken können, wie es Ewart Reder in seinem zur Premiere verfassten Text „Publishing 4.0“ formuliert, bleibt offen.

In zehn Wochen soll die zweite neue Ausgabe von Schritte erscheinen, in rund 1.100 Cafés – davon 46 in Frankfurt – werden die Hefte dann ausliegen. Übersetzungen will Dielmann in die nächsten Ausgaben mit hineinnehmen und Veranstaltungen sind ebenfalls geplant. Vielleicht überzeugt „Schritte“ ja, im Café weniger auf dem Handy herumzuwischen und lieber etwas Spannendes zu lesen.