Große Diskussion rund ums Picknick und den Müll Podiumsgespräch im Museum Angewandte Kunst

Leon Joskowitz, Charlotte Trümpler, Harald Lemke und Michael Werner im Gespräch. Foto: Faure

Sachsenhausen (jf) – Noch bis zum 17. September ist die Ausstellung „Picknick-Zeit“ im Museum Angewandte Kunst zu sehen. Die Reihe „Blickwechsel. Zukunft gestalten“ beschäftigte sich anlässlich der Exposition an einem Abend mit der Frage, was vom Picknick übrig bleibt. Am Podiumsgespräch nahmen die Kuratorin Charlotte Trümpler, der Professor für Philosophie und Kulturwissenschaft Harald Lemke und der Pressesprecher der Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH (FES) Michael Werner teil. Leon Joskowitz, Philosoph und Unternehmer, moderierte.

„Das Problem Müll wird viel zu wenig gesellschaftlich diskutiert“, stellte Harald Lemke in seinem Vortrag fest. Er ging auf die Bedeutung des Essens als Nährstoffzufuhr, als ästhetischer Genuss und Quelle des sozialen Friedens ein. Picknick sei die Gegenentwicklung zu Fast Food. Weltweit würden ein Drittel der produzierten Lebensmittel im Müll landen. In Deutschland hätten Haushalte zu 44 Prozent Anteil am Lebensmittel-Müll. „Doch dazu gibt es Alternativen wie das Good Food Movement“, sagte der Philosoph.

Unter dem Motto „Darf’s ein bisschen weniger sein“ könnte jeder dazu beitragen, dass weniger Lebensmittel weggeworfen werden. Außerdem sollte die Biotonne genutzt und auf zu viel Verpackung verzichtet werden.  Das Bild des dickleibigen Menschen, der ungesundes Zeug wahllos beim Fernsehen in sich hineinschaufle, habe sich in den letzten Jahren verändert. „Das Interessante am Picknick ist, dass jeder etwas mitbringt.“ Außerdem habe sich das Zubereiten von Speisen mit dem Internet gewandelt. Jederzeit können Rezepte heruntergeladen und ausprobiert werden.

Jugendliche werfen das Meiste weg

„Studien zeigen, dass die 13- bis 30-Jährigen das Meiste wegwerfen“, erklärte Michael Werner. In den letzten Jahren seien das weniger Zigarettenkippen, aber mehr To-Go-Verpackungen gewesen. Leider landeten in Frankfurt 46 Prozent des organischen Abfalls in der schwarzen Restmüll-Tonne statt in der Bio-Tonne. „Dennoch wird die braune Bio-Tonne gut angenommen, nur drei Prozent Störstoffe werden festgestellt“, sagte der Experte. Frankfurt sei im Großen und Ganzen sauber, „auch wenn wir an einigen Ecken noch mehr tun müssen.“

Zum Beispiel am Mainufer: Das wird täglich gereinigt. Und das lässt sich die Stadt – beziehungsweise der Steuerzahler – einiges kosten. 50 bis 60 Millionen Euro werden jährlich für die Reinigung des öffentlichen Raumes ausgegeben. Rund 1000 Menschen sind in diesem Bereich beschäftigt. „Der chinesische Philosoph Lao-tse sagte: Gut geht, wer ohne Spuren geht“, bemerkte Leon Joskowitz.

Kostenpflichtige Tüten als Anfang

„In England scheint das besser zu klappen.“ „Es hat kein so großes Müllproblem“, sagte Trümpler, „aber auch keine Grillplätze. Ich denke, dass die Engländer disziplinierter und sozialisierter sind.“ Das absolute Gegenteil sei das indische Westbengalen, dort bleibe alles liegen. „Gibt es Forderungen an die Politik, um das Müll-Problem in den Griff zu kriegen?“, fragte Joskowitz in die Runde. „Das gesellschaftliche Klima, das die Menschen animiert, sich bei diesem Thema stärker einzubringen, fehlt“, sagte Lemke. „Aber wenn Plastiktüten etwas kosten, ist das ja ein Anfang“, wandte Trümpler ein und forderte mehr Mehrwegprodukte: „Warum gibt es eigentlich keinen Lieferservice mit Pfand?“

„Es gibt zu wenig Kommunikation zwischen Lebensmittelproduzenten und der FES. Zu viele Verbundstoffe werden entwickelt, die nicht vernünftig getrennt werden können. Pfandsysteme hingegen sind gut“, schätzte Werner ein. Einig waren sich alle darin, dass der Respekt vor dem öffentlichen Raum in den letzten Jahren zurückgegangen ist. „Die Müllwissenschaft entsteht gerade weltweit. In Deutschland gibt es das noch gar nicht. Die Weltrettung ist keine piefige und uncoole Sache - jeder kann mithelfen“, sagte Lemke.