Thomas Ganick ist hauptberuflicher Schuhputzer Er poliert die Schuhe der Sachsenhäuser, bis sie glänzen

Schuhputzer Thomas Ganick in seinem Ladengeschäft in Sachsenhausen. Auch Promis zählen zu seinen Kunden. Wer Schuhfetischist ist, verrät er nicht. Fotos (2): kb

Sachsenhausen (kb) – In seinen Händen hält Thomas Ganick einen aufgeschnittenen Herrenschuh. 230 Euro haben die Edeltreter aus dem Hause Boss gekostet. Für den 54-Jährigen sind sie ein Haufen Schrott. „Dieser dünne Lappen Filz hier zwischen Brand- und Laufsohle, das ist lächerlich“, sagt er. Bei Schuhen kennt Thomas Ganick keinen Spaß: Er ist professioneller Schuhputzer. Und zwar der einzige in Deutschland, der den Beruf hauptberuflich ausübt. 

„Es gibt ein paar, die es auf Events machen. Aber das ist Show. Mit meiner Arbeit hat das nix zu tun“, sagt Ganick. Vor zehn Jahren kommt der gebürtige Berliner nach Frankfurt. In der Hauptstadt, wo die Leute selbst mit verschlissenen Jeans und kaputten Schuhen in die Oper gehen, ist die Nachfrage gering. Frankfurt ist das bessere Pflaster für Schuhputzer. Hier gibt es viele Berufe, die einen Dresscode haben: Banker, Immobilienmakler, Aktienhändler. Thomas Ganick putzt erst Klinken – und dann endlich Schuhe. Und das ist bitter nötig. „Man sieht diese mächtigen Männer, die tragen ein maßangefertigtes Oberhemd für 400 Euro, einen Anzug für 3000 Euro aber die Schuhe sind billig und ungepflegt. Das begreife ich nicht.“

Am Anfang sitzt Thomas Ganick in den Häuserschluchten und freut sich über jeden Kunden. Heute kann sich der 54-Jährige vor Aufträgen kaum retten: Er fährt zu den Kunden ins Büro oder besucht sie zu Hause, große Firmen buchen ihn für Messen und Veranstaltungen, auf denen er kostenlos die Schuhe der Kunden reinigt. Sein Job ist Schwerstarbeit: 200 Kilo wiegt allein der maßangefertigte Schuhputzstuhl aus Eschenholz, den er selbst anliefern und aufbauen muss, hinzukommen Schemel, Regale, Bürsten aus Rosshaar, Cashmere und Yak-Haar, Öle, Palmenwachse. Ganick reinigt und poliert im Akkord, färbt um, entfernt Kratzer und Flecken. Für die Wasserpolitur, die Königsdisziplin des Schuhputzens, braucht er etwa eine Stunde pro Paar.

Besonders im Winter läuft das Geschäft

Sein wichtigstes Utensil: Der Zeigefinger. Der hat mit 37 Grad die perfekte Temperatur, um das Palmenwachs einzumassieren. Schicht für Schicht trägt Ganick mit einem dünnen Baumwollhandschuh auf, am Ende kommt ein Tropfen Wasser dazu. „Erst wenn sich die Uhrzeit auf der Schuhspitze spiegelt und sich ablesen lässt, ist es perfekt“, sagt er. Wenn Thomas Ganick seinen Service nicht außer Haus anbietet, sitzt er in seinem neuen Laden. Nicht nur die Luxusgeschäfte der Goethestraße lassen hier ihre Schuhe aufarbeiten, etwa wenn sie im Schaufenster standen und vom Sonnenlicht trocken und ausgeblichen sind.

Auch per Post kommen Schuhe – aus ganz Deutschland, der Schweiz, Frankreich oder Österreich. Besonders jetzt im Winter, wenn das Wetter schmuddelig und die Schuhe dreckig sind, läuft das Geschäft. Um die Arbeit zu schaffen, sitzt Ganick oft sieben Tage die Woche in seiner Werkstatt. Zwei Bandscheibenvorfälle hat er hinter sich, die rechte Schulter ist kaputt. „Ich brauche dringend einen Angestellten“, sagt er. Das Problem: Schuhputzer ist kein offizieller Beruf, eine Ausbildung oder Standards gibt es nicht. Thomas Ganick hat deshalb mit ausländischen Kollegen in Brüssel einen Verein gegründet, um den Beruf wieder populärer zu machen und Nachwuchs auszubilden.

Bis dahin ist er als Ein-Mann-Unternehmen unterwegs. Und träumt davon, am Frankfurter Flughafen seine Dienste anzubieten. Probeweise hatte er schon einmal die Erlaubnis. Allerdings nur für Gate 26. „Da kommen die Portugal-Touristen mit Badelatschen an. Was soll ich da?“, sagt Ganick und zuckt mit den Schultern. Er will nach vorn, zum Check-in, wo die Geschäftsreisenden aufs Boarding warten. Als Schuhputzer biete er nicht bloß blitzblanke Schuhe. „Nirgends entspannen Männer so gut wie bei mir auf dem Stuhl.“

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