Alles dreht sich um Mode Projekttag für Schüler im Museum Angewandte Kunst

Neben 15 Frauen hat sich auch ein junger Herr ans Mode-Design getraut. Elegant in Schwarz und Weiß läuft er über den Laufsteg und erhält viel Beifall. Foto: Faure

Sachsenhausen (jf) – Ein mit schwarzem Band umrahmter, kleiner V-Ausschnitt, das schwarze Band zieht sich über das weiße, etwas ausgestellte Kleid hinunter bis zum Saum, der das Knie bedeckt. Darunter fast versteckt ein Tülleinsatz.

Wenn sich Carla umdreht, wird aus dem schlichten Kleid ein raffiniertes, das reichlich freien Rücken zeigt. Carla Wesselys Entwurf ist einer von 17, gestaltet von Teilnehmern des Kunstleistungskurses der Klassenstufe elf an der Freiherr-vom-Stein-Schule. Matthias Wagner K, Direktor des Museums Angewandte Kunst, begrüßt die Gäste im Foyer und dankt allen, die das Projekt unterstützten, darunter der Stiftung Polytechnische Gesellschaft. Sieben Monate beschäftigten sich 16 junge Damen und ein junger Mann im Museum mit Mode unter besonderer Beachtung der Ausstellung „Jil Sander. Präsens“, die noch bis zum 6. Mai zu sehen ist.

„Jil Sander hat Anzüge für Männer und Frauen entworfen, das finde ich toll“, sagt Carla Wessely, die nicht nur von der Exposition, sondern auch von der Möglichkeit, selbst kreativ zu werden, begeistert ist. „Am schwierigsten war es, den Entwurf vom Papier dann in Stoff umzusetzen“, gibt sie zu. Das von ihr für sie konzipierte Kleid wurde schließlich weiter und länger. Alles ist handgenäht. Die Kleider, Hosen, Jacken, Tops sind unter der Überschrift „Auf Tuchfühlung“ ein Teil des Projektes. Dem voran ging unter dem Titel „Create Fashion“ eine Kooperation mit den Designerinnen Lisa Frisch und Katharina Pfaff, die 2015 in Frankfurt ihr eigenes Label „Frisch Beutel“ gründeten und handgemachte Taschen, Beutel und Rucksäcke aus hochwertigem Leder und Kork fertigen.

Talent steckt in jungen Leuten

„Wir haben uns beim Studium in Trier kennengelernt, die Selbstständigkeit hat sich entwickelt“, erklärt Pfaff. Bei der Arbeit mit den Jugendlichen fiel ihnen „die erstaunliche Kreativität und Individualität“ auf. „Viele haben sich in ihrer Arbeit dem Mainstream nicht angepasst“, stellt Frisch fest. Auf jeden Fall stecke Talent in den jungen Leuten. Eine kleine Schau im Foyer bietet einen Überblick über die von den Gymnasiasten gefertigten Taschen, Hüllen und Beutel und macht die einzelnen Arbeitsschritte nachvollziehbar. 

Ein Lookbook fasst die Werke aus „Create Fashion“ und „Auf Tuchfühlung“ zusammen. Im zweiten Projektteil standen den Teilnehmern die Designerin Sarah Charlotte Bloch und die Lehrerin Kyra Schneider zur Seite, gefördert wurde es vom Kulturfonds Frankfurt Rhein-Main unter der Rubrik „kunstvoll“. Sicherlich ist die Modenschau im Museum Angewandte Kunst der Höhepunkt des Projekts. Nach der Präsentation der Modelle in den Farben Schwarz, Weiß, Beige und ergänzend Dunkelblau und viel Applaus steht für Carla Wessely fest: „Eine Arbeit im Bereich Design kann ich mir gut vorstellen. Das Projekt hat allen viel Spaß gemacht.“

Dozentin Diana Weis hält Vortrag

Damit ist der Modetag allerdings noch längst nicht zu Ende. Vorträge und Gespräche der Reihe „Inventur_Stilkritik“ aus Berlin folgen. Diana Weis, Dozentin an der Akademie Mode & Design Berlin, spricht über Power Dressing und beginnt mit der Feststellung, dass „Massenmode und Feminismus zwei ungleiche Töchter des Industriezeitalters sind“. So wandte sich der Internationale Kongress für Frauenwerke und Frauenbestrebungen im September 1896 gegen das „Marterinstrument“ Korsett und die „Straßenkehrmaschine“ Schleppenkleid.

„Es fehlte immer so etwas wie der Herrenanzug für Damen. Die Hose setzt sich bei den Frauen erst in den 1960er Jahren durch“, erläutert Weis. 1980 entwarf Jil Sander Business Look für Damen: „Sie als selbstständige Unternehmerin prägte einen eigenen Stil und stärkte das Selbstbewusstsein der Frauen.“ Bei Power Cross Dressing tragen alle alles; Männer Frauenanzüge, Frauen Männerklamotten. Darüber unterhalten sich Mahret Kupka vom Museum Angewandte Kunst und Agenturgründer Florian Müller. „Blogger und Influencer interessiert bei fünf Millionen Followern nicht mehr, was die Straße darüber denkt, wie sie aussehen“, bemerkt Müller.

Diskussion über Mode zwischen Haltung und Zwang

Autorin Christiane Frohmann spricht über das von Jil Sander entwickelte Outfit, dass eine Frau (oder einen Mann) nicht nur gut aussehen lässt, sondern auch schützt. „Allerdings muss man sich das auch leisten können“, fügt Frohmann hinzu. Über Mode zwischen Zwang und Haltung diskutieren Diana Weis und der Autor und Journalist Eckhart Nickel. „Uniformen erleichtern das Denken. Aber man muss sie sich individuell erarbeiten“, sagt Nickel. Interessante Ansichten und Einsichten. Und Zeit für die Frühjahrsdurchsicht des eigenen Kleiderschrankes.

Mehr tolle Fotos vom Projekttag gibt's in der Bildergalerie zum Durchklicken.