Rubens über die Schulter schauen „Rubens. Kraft der Verwandlung“ im Städel zu sehen

Der Katalog informiert detailliert über die Ausstellung. Foto: Faure

Sachsenhausen (jf) – Als am 10. Juli 2002 bei Sotheby’s in London der „Kindermord von Bethlehem“, gemalt von Peter Paul Rubens um 1609/11, für knapp 77 Millionen US-Dollar an einen privaten Käufer ging, machte dieses Exponat Schlagzeilen. Der Käufer übergab das Bild später der Galerie von Ontario, dort ist es auch heute noch zu bestaunen. Auch Städel Kurator Jochen Sander beschäftigte sich damals mit dem Gemälde. Es sollte allerdings noch zwölf Jahre dauern, bis sich Sander, seit 2008 am Städel, mit Stefan Weppelmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter um Kunsthistorischen Museum Wien, traf und beide die Ausstellungsidee in ersten Umrissen entwickelten. 

„Rubens’ Werk strotzt vor antiken Bezügen, aber es bietet unendlich viel mehr“, sagte Sander. Nun ist nach Wien im Städel drei Monate lang die Ausstellung eines Barockmeisters zu sehen, der eigentlich in dieses Museum gehört – leider sind nicht viele Werke von Rubens im Besitz des Hauses am Schaumainkai. Für die nächsten drei Monate ändert sich das: Etwa 100 Arbeiten, darunter 31 Gemälde und 23 Zeichnungen, sind in zwei Bereichen zu sehen.

Peter Paul Rubens wurde 1577 im westfälischen Siegen in einer Patrizierfamilie geboren. Als der Junge zehn Jahre alt war, starb sein Vater. Die Mutter zog mit den Kindern zurück nach Antwerpen. Peter Paul setzte sich durch und wurde – für einen jungen Mann aus der wohlhabenden Oberschicht sehr ungewöhnlich – Maler. Bereits in der Schule lernte er Griechisch und Latein und wurde nach Abschluss seiner künstlerischen Ausbildung 1598 in die Malergilde zu Antwerpen aufgenommen. Von 1600 bis 1608 besuchte er Italien, studierte den von ihm bewunderten Tizian, Caravaggio und vor allem die antiken Skulpturen. „Er schaute auch genau hin, was seine Zeitgenossen schufen, nahm den Wettbewerb auf, zitierte die Künstler nicht nur, sondern überbot sie und ließ neue Ideen in die eigenen Werke einfließen“, erklärte Sander.

Berühmt für die Darstellung von Haut

1610 baute er sich nicht nur ein Haus in Antwerpen, sondern einen Palazzo, im Zentrum befand sich die Malerwerkstatt, in der viele Schüler beschäftigt waren. „Rubens ist da längst zu einer Marke geworden, er arbeitete intensiv an seinem Image“, bemerkte der Kurator. Rubens gelang es, den marmornen Vorbildern aus der Antike Leben einzuhauchen. Er übermalte das Material nicht, sondern rückverwandelte es und verlieh ihm mit Licht und Schatten, Farben und Bildaufbau neues Leben. Rubens ist berühmt für die Darstellung von Haut. „Orangenhaut gibt es bei ihm nicht, die rührt höchstens von unsachgemäßer Restaurierung“, fügte Sander hinzu.

„Peter Paul Rubens ist der Inbegriff des barocken Malerfürsten, seine riesigen Altarbilder sprechen für sich. Doch in unserer aufwendig inszenierten Ausstellung stehen andere Aspekte im Vordergrund, es geht um Werkfindung und Vergleichbarkeit. Der Besucher kann Rubens über die Schulter schauen“, erläuterte Städel-Direktor Philipp Demandt. „Wir haben vielleicht nicht so viel Rubens, aber wir haben viele Ideen. Und die sind schließlich ausschlaggebend für die Leihgeber, die von Antwerpen über Florenz, Jerusalem, London, Los Angeles, Washington, New York, Madrid, Paris, St. Petersburg bis in die Vatikanischen Museen reichen“, meinte der Direktor. Die Exposition erleichtert es, Rubens’ Gedanken, die Entstehungsgeschichte eines Werkes, nachzuvollziehen. Skulpturen zwischen den Gemälden und Zeichnungen veranschaulichen, wie stark die antiken Marmorkörper und Torsi sich in den Werken wiederfinden lassen.

Sammlung mit eigenen und fremden Zeichnungen

Peter Paul Rubens legte größten Wert auf seine Sammlung von eigenen und fremden Zeichnungen. Testamentarisch verfügte er, dass die Sammlung erst verkauft werden dürfe, wenn sicher sei, dass weder seine Söhne noch seine Schwiegersöhne ihm als Künstler nachfolgen würden – der weltgewandte und auch in diplomatischen Diensten reisende Star seiner Zeit wusste sehr wohl um den Wert dieser Zeichnungen. Bis zum 21. Mai 2018 ist die Exposition im Haus am Schaumainkai 63 zu sehen. Wer sich vorab schon mit der Ausstellung beschäftigen möchte, kann das über www.staedelmuseum.de, im Internet informiert ein Digitorial ausführlich über die Schau.