Auf Entdeckungsreise in den Frankfurter Stadtteilen Sachsenhausen: Urig und doch modern

Das markante Hochhaus Main Plaza ziert das Deutschherrnviertel.

Frankfurt (sh) – Nennt man einen Frankfurter Stadtteil, hat fast jeder ein bestimmtes Wahrzeichen, etwas für den Stadtteil Typisches oder auch ein Klischee vor Augen. Redakteurin Sabine Hagemann hat die Frankfurter Stadtteile besucht, sie erlaufen, auf sich wirken lassen und sich umgeschaut, was es dort neben den üblichen Sehenswürdigkeiten noch so gibt.

Ich wusste ja, dass Sachsenhausen, oder auch „Dribbdebach“ ein großer Stadtteil ist, in dem es viel zu sehen gibt, also hatte ich von vorneweg zwei Besuche dort eingeplant. Ich brauchte drei. Aber es hat sich gelohnt. Ich starte im Norden des Stadtteils, am Frankfurter Südbahnhof. Das schmucke Empfangsgebäude beherbergt auch ein Bürgerhaus und ein Kulturzentrum, auf dem Diesterwegplatz vor dem Gebäude gibt es einen Wochenmarkt und um die Ecke befindet sich das ehemalige Straßenbahndepot, in dem unter anderem das Bibliothekszentrum Sachsenhausen zuhause ist.

Vorbei am Textorbad an der Textorstraße geht es zum Martha-Wertheimer-Platz, der bis vor einigen Monaten noch Adlhochplatz hieß. Da gegen den bisherigen Namensgeber, Stadtpfarrer Walter Adlhoch, Vergewaltigungsvorwürfe im Raum stehen, hatte sich der Ortsbeirat 5 für eine Namensänderung stark gemacht. Über die Brückenstraße komme ich zum Alten Friedhof, der sich dort von 1508 bis 1869 befand. In der Grünanlage zeugen vereinzelte Grabsteine von dieser Zeit.

Ich begebe mich weiter nach Osten, vorbei am Lokalbahnhof und dem stilvollen Arthouse Kino „Harmonie“ und schaue mir den am Main liegenden Walther-von-Cronberg-Platz im modernen Deutscherrnviertel an. Markant sind dort das dunkelrote Hochhaus Main Plaza mit den goldenen Spitzen und der Fontänenbrunnen mit Wasserspielen im Sommer. Auf dem Platz kommen beim jährlichen Main Matsuri tausende Japan-Fans und als Anime-Figuren verkleidete Cosplayer zusammen.

Von der Eisenbahnbrücke Deutschherrnbrücke schaut man auf das Deutschherrnufer, aus dem die Spitze des Bürohauses Main Triangel hervorsticht. Auf der Brücke selbst hängen eine rote und eine blaue Kugel, die sphärische Geräusche von sich geben. Es handelt sich um die Soundinstallation „Sonic Vista“ der Klangkünstler Sam Auinger und Bruce Odland: Resonanzrohre und Mikrofone sammeln Umgebungsgeräusche, die musikalisch umgewandelt und über die Lautsprecher-Kugeln wiedergegeben werden.

Danach verschlägt es mich in die urigen Gässchen des Vergnügungsviertels Alt-Sachsenhausen. Apfelweinlokale, Klubs, Bars, Kneipen – zum Teil in alten Fachwerkhäuschen untergebracht – locken Touristen und Nachtschwärmer an. Es gibt dort etliche historische Brunnen, da wundert es nicht, dass Sachsenhausen eine Brunnenkönigin kürt und ein Brunnenfest feiert. Der wohl frechste Brunnen stammt jedoch aus dem Jahr 1961 und ist „Fraa Rauscher“ gewidmet. Vorsicht: Die Bronzefigur der Marktfrau-Tracht tragenden Dame aus der Klappergass’ mit der „Beul am Ei“ spuckt gerne mal die Passanten mit Wasser an. Sehenswert ist auch der Kuhhirtenturm an der Großen Rittergasse. In dem ehemaligen Wehrturm befindet sich eine Ausstellung zu Leben und Werk des Komponisten Paul Hindemith, der den marode gewordenen Turm 1923 auf eigene Kosten sanieren ließ und mit seiner Familie dort einzog.

Nächste Station ist der Elisabethenstraße folgend, vorbei an der Deutschordenkirche, die Alte Brücke, die über die Maininsel führt. Auf dieser steht die Ausstellungsinstitution für zeitgenössische Kunst „Portikus“. In der Glasfassade des spitz zulaufenden Dachs sind Lichtinstallationen zu sehen. Auf der Brücke selbst stehen „Karl der Große“ als Sandsteinskulptur und der vergoldete „Brickegickel“, um den sich eine Legende rankt, in der ein cleverer Brückenbaumeister den Teufel austrickst, der darüber nicht amüsiert ist. Zum Glück führt mich mein Weg dann auch schnell zur Dreikönigskirche am Mainufer. Der rund 80 Meter hohe Turm war bei seiner Erbauung 1880 der zweithöchste der Stadt. Derzeit wird er aufwendig saniert.

Zwischen Dreikönigsstraße und Walter-Kolb-Straße verläuft die Schellgasse und das Häuschen mit der Hausnummer 6 ist Frankfurts ältestes Fachwerkhaus aus dem Jahr 1292. Auf meinem Weg zur Villa Metzler unternehme ich einen kleinen Schlenker über den quirligen Affentorplatz. Das klassizistische Landhaus Villa Metzler gehört zum Museum Angewandte Kunst – dieses wiederum befindet sich am Schaumainkai in bester Gesellschaft, denn dort sind zahlreiche Museen versammelt. Das Museumsuferfest ist eine gute Gelegenheit, zum Beispiel das Filmmuseum, das Museum für Kommunikation, die Skulpturensammlung im Liebieg-Haus oder das Städel kennenzulernen. Um die Villa Metzler ist der Museumspark, der zugleich als Verbindung zum Weltkulturen-Museum fungiert.

In Sachsenhausen gibt es viel Kunst im öffentlichen Raum. Besonders bemerkenswert finde ich den Dreidel an der Hans-Thoma-Straße – mein nächster Anlaufpunkt. Die Bronzeskulptur erinnert an das jüdische Kinderhaus in der Hans-Thoma-Straße 24 und ist den Kindern und Betreuern gewidmet, die Opfer der Shoah wurden. Ein Dreidel ist ein Kreisel, mit dem jüdische Kinder traditionell beim Lichterfest (Chanukka) um Süßigkeiten spielen.

Auf der belebten Schweizer Straße geht es nun weiter über den Schweizer Platz hinaus, rechts in die Textorstraße und vorbei an der St. Bonifatiuskirche in die Holbeinstraße, die ich nun wieder in Richtung Main hochlaufe. Auf dem Weg befindet sich der Otto-Hahn-Platz, der auch „Rosengärtchen“ genannt wird. Das hübsch gestaltete und mit Rosen bepflanzte Oval und die einladenden Sitzbänke sind im Sommer definitiv einen Besuch wert. Es gibt dort auch eine Boule-Bahn. Am Main besuche ich an der Friedensbrücke die Skulptur des Hafenarbeiters, mit der die Arbeiterschaft gewürdigt wird. Ich beschließe, dort den ersten Teil der Tour zu beenden und mich am nächsten Tag dem Stadtwald zu widmen.

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