Festival „literaTurm“ mit Lesungskonzert im Kaisersaal eröffnet Texte ohne Grenzen

Katharina Hacker (links) und Rumi Ogawa. Foto: Faure

Frankfurt (jf) – Bereits im vergangenen Jahr war das Experiment, Literatur und Musik zu verknüpfen, bei der Eröffnung der Frankfurter Lyriktage gelungen.

Nun stellten sich die Autorinnen Monika Rinck und Katharina Hacker sowie das Ensemble Modern dieser Aufgabe erneut – mit Bravour. Vorher sprach Frankfurts Kulturdezernent Felix Semmelroth und beschrieb die Konzeption der elf Festivaltage unter dem Motto „Der entgrenzte Text“ als ein Vorschlag, sich auf das einzulassen, was Literatur vermag. Möglicherweise bringe „literaTurm“ zu diesem Thema neue Erkenntnisse.

Zu den etwa 30 Veranstaltungsorten gehört auch wieder das Goethe-Haus. „Ich bin froh, dass auf dem Gelände die Bagger schon zu Gange sind, um Baufreiheit für das Romantik-Museum zu schaffen. Dieses Projekt kann nun selbst bei knapper Kassenlage nicht mehr rückgängig gemacht werden“, bemerkte der Stadtrat, der zum 1. Juli 2016 zurücktritt und in den Ruhestand geht.

Friederike Tappe-Hornbostel, Leiterin Kommunikation der das Festival fördernden Kulturstiftung des Bundes, trug Gedanken zum grafischen Gestaltung von „literaTurm“ – ein Möbiusband ziert Programm und Plakate – vor. Ist es etwa einem Hamsterrad vergleichbar? Das jedoch könne für Autoren wohl nicht gelten. „Möbiusbänder sind nicht orientierbar und mannigfaltig“, erklärte Tappe-Hornbostel.

Festival-Programmleiterin Sonja Vandenrath erläuterte, dass es um die Frage gehe, „bis zu welcher Spannung ein Text dehnbar ist“. Der Befreiung des Textes aus der medialen Gebundenheit stehe die absolute Materialisierung gegenüber, dem Entgrenzen das Entformen.

„In Zeiten, wo überall wieder Grenzen hochgezogen werden, will ‚literaTurm’ dem entgegenwirken. Deshalb sind beim Festival auch internationale Teilnehmer dabei“, nannte Vandenrath einen wichtigen Aspekt der Veranstaltungsreihe. Das Lesungskonzert begann mit einem Harfensolo von [Conrado Del Rosario], gespielt von [Ueli Wiget], Ensemble Modern. Anschließend erzählte Katharina Hacker von einem Film über Alkohol-Schmuggler an der iranisch-irakischen Grenze, den sie vor Jahren auf der Biennale in Venedig gesehen hatte und der sie seitdem nicht mehr losgelassen hat.

Musik und bilinguale Kapitalismuskritik, vorgetragen von Monika Rinck, wechselten sich anschließend ab. In das Lesungskonzert flossen nicht nur eigene Gedanken von Hacker und Rinck, sondern auch Texte beispielsweise von Johann Wolfgang von Goethe und Immanuel Kant ein.

Eindrucksvoll war Hackers Text „Füße“; zwei Mal 26 Knochen, ein Viertel aller Knochen eines Menschen, müssen den ganzen Körper tragen. Wandernde, stehende, anschwellende, geschundene Füße – sie stehen symptomatisch für das Leid der Geflüchteten. Die Flucht wird als Hoffnung verstanden, nicht nur zu überleben, sondern auch die eigene Würde nicht zu verlieren.

Die Musik – darunter viele Eigenkompositionen von Hermann Kretzschmar, Ensemble Modern – enthielt darüber hinaus Werke zum Beispiel von Albert Roussel, Carl Philipp Emanuel Bach und Erik Satie.

Ein gelungener Auftakt des Festivals mit etwa 80 Veranstaltungen in und um Frankfurt. Details sind unter www.literaturm.de zu finden.