Die Knarre unterm Sofa „Die USA unter Waffen“ im Museum Angewandte Kunst

Günter Frankenberg zeigt eine Waffenwerbung passend zum Weihnachtsfest – Made in USA. Foto: Faure

Sachsenhausen (jf) – Gegenwärtig ist im Museum Angewandte Kunst die Ausstellung „Unter Waffen/Fire & Forget 2“ zu sehen. Waffen dienen der Verteidigung, dem Angriff. Sie verkörpern Freiheit, Macht, Gewalt. Ein ambivalentes Thema ohne scharfe Grenzen zwischen gut und böse, abstoßend und faszinierend gleichermaßen.

Im Rahmenprogramm, eine Kooperation mit dem Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ an der Goethe-Universität, war kürzlich Günter Frankenberg, Professor für Öffentliches Recht, Rechtsphilosophie und Rechtsvergleichung zu Gast. Sein Thema: „Right to bear arms. Die USA unter Waffen“. Viele interessierten sich dafür.

Der Experte, der selbst als Gastprofessor in Pennsylvania, Boston und Harvard lehrte, erzählte zunächst das Märchen vom flintenbewehrten Rotkäppchen – umgeschrieben von der National Rifle Association (NRA). Ihr Ziel: Die Verteidigung der Verfassung der Vereinigten Staaten. Besonders geht es dabei um das „Second Amendment“, den zweiten Zusatzartikel: „… the right of the people to keep and bear arms …“ (das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen). „Eindeutig war damit 1791 eine militärische Bedeutung gemeint“, erklärte Frankenberg. Doch bei der Betrachtung des Zusatzartikels werden heute viele Fragen aufgeworfen: Geht es um individuelle oder kollektive Rechte, um zivile oder militärische Nutzung?

Waffenrecht ist Einzelstaatenrecht

Die Fragen werden ganz unterschiedlich beantwortet, in 30 Staaten sind die Waffengesetze sehr lax – Waffenrecht ist Einzelstaatenrecht. „Das Recht zeigt sich dabei janusköpfig, es geht zum einen um Selbstverteidigung, zum anderen um die Aufstellung von Milizen“, erläuterte Frankenberg. Die Tendenz neige zum Individualrecht und wird von Gerichten in diesem Sinne unterstützt. „Doch das spaltet die Nation“, bemerkte der Experte.

Das Grundrecht, sich in der Öffentlichkeit mit Waffen zu zeigen, werde eine Besonderheit der USA bleiben. Damit verbunden ist die fatale Folge, die Waffenproduktion auch gleich zum Menschenrecht zu erheben. Doch habe man es nicht mit einem Rechtsversagen, sondern mit einem Versagen der Politik zu tun. Änderungen in der Gesetzgebung wurden bisher von der NRA und ihren mächtigen Lobbyisten verhindert. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache: knapp 323 Millionen Einwohner haben 300 Millionen Schusswaffen, 371 Schießereien gab es 2015; 1,5 Millionen Amerikaner starben seit 1968 – das sind mehr als alle gefallenen US-Soldaten bei Kriegen.

Waffen sind alltäglicher Gebrauchsgegenstand

Fünf Mal pro Woche schießen Kinder versehentlich auf Menschen. „Da stellt sich schon die Frage: Wie konnte ein Verfassungszusatz zum Menschenrecht werden?“, äußerte der Experte. Nicht nur die Waffenlobby, auch die Medien leisten ihren Beitrag: Sägen, Bohrmaschinen, Spritzpistolen – sieht in der Werbung alles nach Waffen aus. „Die Waffe ist Teil des kultivierten USA-Mythos“, schlussfolgerte Frankenberg. Und die Botschaft lautet: Gewalt stiftet Ordnung in der Gemeinschaft. Deshalb sei es nie zu früh, Kindern Waffen zu schenken – für Mädchen entwickelte beispielweise Rifle eine pinkfarbene Crickett 22 und verkaufte das Modell erfolgreich an die Vier- bis Siebenjährigen.

Waffen sind in den USA zu einem alltäglichen Gebrauchsgegenstand geworden, liegen nicht verschlossen in Spezialschränken, sondern offen neben der Couch. Nicht bei allen Amerikanern – aber bei vielen. Nein, in Deutschland sei so etwas nicht vorstellbar, beantwortete Frankenberg eine entsprechende Frage. Die Ausstellung ist bis zum 26. März am Schaumainkai 17 zu sehen. Das Rahmenprogramm steht auf www.museumangewandtekunst.de.