Auf den Spuren der Geschichte der Fabrik Veranstaltungsort und Denkmal

Dachbalken und Lichtschacht: Interessante Einblicke in Die Fabrik. Foto: Hagemann

Sachsenhausen (sh) – Anlässlich der Tage der Industriekultur bestand die Möglichkeit, eine außergewöhnliche Veranstaltungsstätte näher kennenzulernen: Die Fabrik im Mittleren Hasenpfad 5. Karsten Heidebrecht, Vorstand der Peter Paul und Emmy Wagner-Heinz Stiftung, führte durch das historische Bauwerk – vom Dach bis zum Keller – und gewährte Einblicke in die Vergangenheit und die Zukunft.

Die Führung startete im kleinen Park, der zu dem Ensemble gehört, das die Gründerfamilie Heinz 1883 in Sachsenhausen errichten ließ. Ursprünglich betrieb die wohlhabende Kaufmannsfamilie einen Spirituosen- und Kolonialwarenladen in der Innenstadt, doch nachdem die Söhne bei Reisen nach Baku, Aserbaidschan, erlebten, wie dort nach Erdöl gebohrt wurde, waren sie davon so beeindruckt, dass die Familie beschloss, eine kleine Ölraffinerie in Sachsenhausen, in der Nähe der noch recht frisch eröffneten Bahnlinie (heute Südbahnhof) zu errichten. Zu dem von einem unbekannten Architekten erbauten Backsteingebäude mit dem leicht zurückgesetzten Schlot gehören noch ein herrschaftliches Wohnhaus und eine Remise, die eher im verspielten Landhausstil gehalten ist.

Die Familie handelte zunächst mit Petroleum, doch als die Lampen mehr und mehr mit Strom versorgt wurden, sattelten sie auf Öle und Schmierfette um, die in der „Fabrik“ gemischt und abgefüllt wurden. „Fabrikprozesse sind hier gar keine gelaufen“, offenbarte Heidebrecht. Die bekannteste Marke war das 1000-Meilen-Öl, später Union-Öl.

In den 1930er Jahren wurde Emmy Wagner, geborene Heinz, Alleinerbin des Unternehmens. Das Ölgeschäft lohnte sich nicht mehr, so wurde die Fabrik in den 60er Jahren stillgelegt und der Gewölbekeller zu einer Kneipe umgebaut. „Das war ein beliebter Heiratsmarkt“, sagte Heidebrecht. Da Emmy Wagner kinderlos war, gründete sie eine Kulturstiftung, in die Grund und Gebäude der Fabrik als Stiftungsvermögen einflossen.

Die Peter Paul und Emmy Wagner-Heinz Stiftung unterstützt aktuell das Atelier Goldstein der Lebenshilfe. Die Künstlerkolonie besteht aus 17 Künstlern mit kognitiven Beeinträchtigungen. Ein weiterer Stiftungszweck ist das Kulturprogramm im Keller der Fabrik, des Weiteren die Unterstützung der Kammeroper Frankfurt.

Nach einem Abstecher ins Stiftungsbüro wurde die Führung im Inneren des denkmalgeschützten Backsteingebäudes fortgesetzt. Beeindruckend waren die großen Lichtschächte im Dach, über die das fensterlose Erdgeschoss erhellt wurde. Die alten Dachbalken, die knarrenden Bodendielen, das Antriebsrad für den Aufzug und verstreutes Mobiliar verströmen eine besondere Atmosphäre: Dort scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Doch gleichzeitig blickt das Gebäude in die Zukunft: In der ersten Etage soll eine Bühne für kulturelle Veranstaltungen entstehen, der Raum ganz oben wird treppenartig bestuhlt. Die Bühne im Keller wird von einem Ende ans andere umziehen und „statt bisher 100 sollen 130 Zuschauer im Keller Platz finden“, sagt Heidebrecht. Ende 2023 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Dann können Kulturfreunde noch mehr Musik, Lesungen, Darbietungen und Gespräche in einem Ambiente, durch welches das industrielle Leben von einst durchschimmert, genießen.