Biennale-Schau „Making Heimat“ wird im Deutschen Architekturmuseum in ergänzter Form gezeigt Vorhang aus lauter Fahnen

Peter Cachola Schmal zeigt Bilder vom Deutschen Pavillon in Venedig. Foto: Faure

Sachsenhausen (jf) – Wer es im vergangenen Jahr nicht nach Venedig zur 15. Internationalen Architekturausstellung geschafft hat, kann das jetzt im Deutschen Architekturmuseum (Dam) nachholen – zumindest, was den Deutschen Pavillon betrifft. Das Dam wurde vom Bundesbauministerium für den deutschen Biennale-Beitrag beauftragt.

Herbst 2015. Tausende Flüchtlinge kommen in Deutschland an. Die Kanzlerin propagiert: „Wir schaffen das.“ Ihre Worte waren das Leitmotiv für die Gestaltung des Deutschen Pavillons. Entsprechend wurde das Baudenkmal in der Lagunenstadt mit großen Öffnungen versehen. Schon das allein ist in Deutschland schwer vorstellbar. Die Bedingungen der italienischen Denkmalpfleger waren akzeptabel: Temporär und umkehrbar müsse der Umbau sein. Und erdbebensicher. So wurden schließlich vier Durchbrüche und zwei Perforationen genehmigt, wer durch das säulengeschmückte Portal trat, konnte am Ende das zauberhafte Licht der Lagune sehen. Und sich in den Räumen über Deutschland als Ankunftsland informieren.

Januar 2017. Der Rückbau ist erfolgt, der Pavillon wieder geschlossen. Längst sind die Grenzen nicht mehr so durchlässig wie in jenem Herbst 2015. Doch wie haben die Flüchtlinge das Land und die Menschen verändert?

Darüber gibt die Exposition im Dam Auskunft. Doug Saunders, kanadisch-britischer Autor von „Arrival City“, das 2012 unter dem Zusatz „Die neue Völkerwanderung“ auf Deutsch erschien, beriet das Team des Dam. Er hat weltweit Arrival Cities besucht. So entstanden acht Thesen, unter welchen architektonischen und städtebaulichen Gesichtspunkten Einwanderung gelingen kann.

In der Arrival City sollten die Mieten günstig sein, die Stadt sollte Arbeit bieten und verkehrstechnisch gut angebunden sein. „Die Tolerierung nicht gänzlich rechtskonformer Praktiken kann sinnvoll sein“, lautet eine These. Saunders stellte klar: „Damit sind natürlich keine mafiösen Strukturen gemeint.“ Deutlich wird das am Beispiel des Dong Xuan Centers in Berlin-Lichtenberg.

Es geht weiterhin darum, Wohnraum den Suchenden nicht vor die Nase zu stellen, sondern sie selbst beim Aufbau oder Umbau mit einzubeziehen.

Wichtig ist die Straßenebene. „Wenn das Erdgeschoss nicht funktioniert, funktioniert das Viertel nicht“, sagt Dam-Direktor Peter Cachola Schmal und verweist auf das Europaviertel in Frankfurt, wo in diesem Sinne nachgebessert werden sollte.

Arrival Cities brauchen die besten Schulen, gerade in den schlechtesten Vierteln muss besonderer Wert auf Bildung gelegt werden.

Zuwanderer ziehen meist dorthin, wo schon Landsleute wohnen. Aber: „In ganz Deutschland gibt es keine Ghettos“, stellte Kai Vöckler von der Hochschule für Gestaltung Offenbach fest. Überhaupt: Offenbach. Frankfurts Nachbarstadt ist die mit dem höchsten Ausländeranteil, nämlich 30,2 Prozent, in ganz Deutschland, gefolgt von Frankfurt mit 25,7 Prozent. Gibt es deshalb in Offenbach eine besonders hohe Kriminalität? Nein – die Rate liegt im mittleren Bereich, vergleichbar etwa mit Krefeld und Gelsenkirchen. „Und Offenbach hat die fünfthöchste Aufklärungsquote“, ergänzt Vöckler.

Im ersten Obergeschoss kann sich der Besucher in einer Flüchtlingsdatenbank über architektonische Projekte in Deutschland informieren. „Wir haben nach dem Stand vom Mai 2016 noch einmal nachgefragt, was seitdem passiert ist“, erläuterte Kuratorin Anna Scheuermann. Sieben aus 57 Projekten werden detailliert vorgestellt. Leonhard Streich vom Berliner Büro Something Fantastic, Partner des Dam bei der Gestaltung des Deutschen Pavillons, verwies auf ein Stück Stoff: „Dieser Vorhang besteht beim genauen Hinsehen aus lauter Fahnen. Aneinandergereiht werden sie als bunte Fläche wahrgenommen. Die einzelne Fahne sticht nicht mehr hervor.“ So ähnlich könnte man sich ja auch Arrival Cities vorstellen.

Die Ausstellung im Dam am Schaumainkai 43 wird bis zum 10. September gezeigt und von einem Rahmenprogramm begleitet.