Edmund Schwab, langjähriger Leiter der Katholisch-öffentlichen Bücherei, würdigte ihn als Autor von großer sprachlicher Kraft, dessen Geschichten die Lebenswelt einer ganzen Krotzenburger Generation spiegelten. „Erinnerungen, die Festtagsbräuche und Alltagsrituale, Kinderspiele und Lieder vor dem Vergessen bewahren.“
Beruflich zog es den ausgebildeten Sänger früh nach Frankfurt, wo Oestreich von 1959 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1995 Mitglied des Opernchors war. Engagements führten ihn nach Bayreuth und Zürich, aber auch nach Japan, in die USA und nach Israel. Doch neben der weiten Welt der Oper ließ ihn auch die kleine heile Welt der Heimat nicht los. Bereits seit 1975 beschäftigte sich Oestreich mit Mundart und begann, Ausdrücke und Sprüche aus Krotzenburger Kindheitstagen zu sammeln.
1989 gab er zur Eröffnung einer Buchschau erstmals einen Abend lang Kostproben aus seinem Mundartkompendium zum Besten. „Das Publikum, viele aus seiner Generation, war hin und weg“, erinnert sich Organisator Schwab. Die überwältigende Resonanz motivierte Oestreich, seine Sammlung in Zusammenarbeit mit der Krotzenburger Bücherei 1991 zu publizieren.
In „Kloa-Krotzeboarjer Sprich und Wärder“ finden sich auf rund 200 Seiten unzählige Ausdrücke des Heimatidioms (von A wie Äbbelkrips bis Z wie Zwärwel), die Oestreich lautmalerisch wiedergibt, jeweils übersetzt und natürlich in den lokalen Kontext stellt.
1993 folgte die Veröffentlichung von „Kloa-Krotzeboarjer Läsebuch“, eine Sammlung von Geschichten, Anekdoten und Wortskizzen, die den Kosmos einer Kindheit in den 1930/40er abbilden und - fast schon vergessene - Traditionen in Erinnerung rufen.
Aber nicht nur mundartlich wusste Oestreich, der zuletzt in Mömbris wohnte und auch dem Kahlgrund Gedichte und Geschichten widmete, virtuos mit Worten umzugehen. Er war auch hochsprachlich als Lyriker produktiv und genoss in der Region große Anerkennung. Zwei seiner Gedichte fanden beispielsweise Aufnahme in Sammelbände der Brentano-Gesellschaft Frankfurt.
Sein letzter Wille: Familie und engste Freunde sollten nach seinem Tod bei einer kleinen Zeremonie zum Abschied je eine Blume in den geliebten Fluss werfen.
red