Tina Maggios Suche nach der eigenen Identität als Tochter italienischer Gastarbeiter Wer bin ich eigentlich und wo gehöre ich hin?

Ihr erstes Dirndl bekam Tina Maggio von ihrer deutschen Patentante und sah mit ihren rotblonden Haaren gar nicht italienisch aus. Foto: privat

Von Natalia Dizer

Seligenstadt – Wer bin ich? Wo gehöre ich hin? Fragen die nicht nur mir, sondern auch den meisten Menschen mit Migrationshintergrund durch den Kopf schwirren. Bin ich nun deutsch oder nicht? Und wenn nicht, wie kann ich es werden? Fragen auf Fragen, auf die ich womöglich nicht allzu bald eine Antwort finden werde. Was macht ihn aus den Deutschen? Seine Pünktlichkeit, sein freundliches „Hallo“ auf der Straße oder die Socken in den Sandalen? Was ist, wenn ich mir all diese Charakterzüge bereits zu eigen gemacht habe, sie mir in Fleisch und Blut übergegangen sind? Habe ich es dann geschafft?

Ich glaube, dass es weniger darum geht, ein perfekter Deutscher zu werden, sondern seine eigene Identität zu finden. Die Identität, die man nicht wie die Einheimischen in die Wiege gelegt bekommt, sondern erst finden muss.

Tina Maggio (48) wurde als Tochter italienischer Gastarbeiter in Kelkheim im Taunus geboren. Die Frage nach ihrer Identität konnte sie ganz klar beantworten. „Ich wusste, wir kommen aus Italien und ich war ganz klar Italienerin.“, erzählt die in Froschhausen lebende Autorin. Tina wollte nie Deutsche sein, weil es immer klar war, irgendwann geht es zurück nach Italien, in die Heimat. „Wir waren nicht in Deutschland um zu leben, sondern um zu überleben.“

Sobald genug Geld angespart ist, sollte die Heimreise angetreten werden. So ging es vielen Kindern, deren Eltern aus einem anderen Land stammen. Es gab kein sicheres Gefühl der Beständigkeit. Jeden Morgen wachte man auf mit dem Gedanken, es könnte bald der Moment kommen, der das bisherige Leben komplett auf den Kopf stellen würde.

1980 war es soweit für Tina Maggio. Es wurde gepackt, der Umzug nach Italien geplant und die Euphorie bei ihr ist groß. Doch dazu kam es nicht. Zu viele Zweifel plagten ihre Eltern und irgendwie ist ihnen Deutschland ans Herz gewachsen, ohne es zunächst zu bemerken. „Ich wollte zurück. Meinen Geschwistern war es egal, aber ich blieb fest dabei.“

Tina wollte den endgültigen Entschluss nicht akzeptieren, weil sie unbedingt in Italien leben wollte. In der Pubertät änderte sich jedoch ihre Meinung. Im Gegensatz zu ihren Freunden musste sie abends Zuhause bleiben.

„Italienische Mädchen ziehen nicht draußen herum, schon gar nicht mit Jungs“, erinnert Tina sich. „Ich wollte frei sein, aber das war nicht drin. Auch Italien zeigte sich plötzlich anders. Als mich einer auf italienisch eine Deutsche nannte, schickte ich ihm eine Gewitterwolke an Schimpfwörtern.“

Hier war sie die Italienerin, dort die Deutsche. Diese Erfahrung verbindet wohl alle, die zwei Heimaten im Herzen tragen. Überdurchschnittlich strenge Erziehung, viele Verbote und Gebote, die man befolgen musste. Manchmal kommt dann die Frage auf, warum ich? In der Kindheit ist es am schwersten, beide Kulturen zu vereinbaren, ohne ein schlechtes Gewissen den Anderen gegenüber zu haben.

Je mehr Jahre vergingen, desto klarer wurde die Antwort auf die Frage nach der eigenen Identität. Man muss sich überhaupt nicht entscheiden, ob man nun deutsch ist oder nicht, man kann beides sein.

„Identität ist nicht nur eine Frage der Wurzeln, sondern eines ganzen Baumes. Es geht um die ganze Geschichte und dazu zählt die Genetik und meine Sozialisation“, so Tina Maggio. Trotz aller Schwierigkeiten, die auf dem Weg der eigenen Identitätsfindung auf uns prallen, gibt es doch viele gute Seiten. Zwei oder mehrere Nationalitäten zu besitzen gibt ein schärferes Urteilsvermögen durch den Vergleich. Einfachere Sprachauffassung und eine größere Spannbreite der kulturellen Einflüsse. Es gibt nicht nur eine Version vom Deutschsein, sondern eine große Bandbreite, die das Land bereichert und es zu dem macht, was wir lieben und schätzen.

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