Ewweletsche, Top-Garden, mautpflichtige Mainflinger Hauptstraße und Tuba blasende Prinzessin bei SFF-Gala Kinder kommen mit USB-Kabel statt Nabelschnur zur Welt

Top-Garden zeigten auch dieses Mal bei den Fastnachtsfreunden im Riesensaal ihr Können.

Seligenstadt (M.) – „Hamse schon mal was von den Lilanen gehört?“ - Dieser Satz gilt in Schlumberland nicht als Frage, sondern als Teil eines Witzes. Selbst Vertreter der seltenen Art des Fastnachtsverweigerers zollen gegenüber allem, das violett schimmert, Respekt. Allein Klein-Welzheimer und Froschhäuser mögen beim Auftauchen der dunkelblauen Farbkleckse die Stirn runzeln. Das liegt an einzelnen Beiträgen der Sitzung der Seligenstädter Fastnachtsfreunde (SFF).

Neu-Schlumber seien gewarnt: Es geht nicht um eingeschleuste, als Hessen verkleidete Unterfranken - SFF steht für einen äußerst erfolgreichen Hochleistungssport. Wer die Kultur der Kampagne auch in der Fremde verfolgt, weiß das Niveau der Seligenstädter einzuordnen: Die Garden sind weltklasse!

Sie beherrschen die vielleicht anspruchsvollste Disziplin der Narretei in ungewöhnlicher Perfektion. Die Choreographien sind penibel der Größe von Gruppen und Bühne angepasst, glänzen durch ein flottes Tempo, die Schritte spiegeln in seltener Harmonie den geschickten Musik-Zusammenschnitt. Die Mädchen - und ein einziger registrierter Junge - vollführen Sprünge, Spagat und sportliche Figuren bis zur Artistik, und vergessen nie das Lächeln.

Die Kreationen werden durch passende Kostüme verstärkt, kurzum, alles passt und zaubert dem Publikum ein Lächeln ins Gesicht. Die Auftritte schaffen Gesprächsbedarf, also kämpfen Präsident Michael „Mille“ Millitzer und seine Uniformierten im Elferrat regelmäßig gegen das Geplauder, fordern Respekt für jene, die mit viel Mühe ihre Beiträge vorbereitet haben: „Haltet einfach mal die Klapp’!“

Der lila Chef im Elferrat hat gut reden, schwärmt wortreich und im tiefsten hessisch von den Nummern des sechsstündigen Programms. Am besten kommen seine Versprecher an, die Witze verstehen nicht immer alle sofort. Bestes Orchester der Welt, Vorschusslorbeeren für die Stadtkapelle? Fastnachtserfahren unterstützen zwei Dutzend Musiker der „besten Kapelle der Welt“ den Reigen, der Stadtkapelle, zeitweise verstärkt von der Tuba blasenden Prinzessin Lena.

Für das Prinzenpaar „wurde ein großer Traum wahr“, Alex I. und Lena I. hören viel Bewunderung inmitten der vereinten Tanzgruppen und mit Konfetti-Kanonen bewaffneten Gardisten. Das „alternative Protokoll“ teilen sich Dirk Rollmann als trojanisches Pferd und Ali Peitz. Auf Trump, Populisten und Brexit wollen sie verzichten, nicht auf Seligenstädter, die beim Bäcker Hackfleisch bestellen. Die Fähre verkehre immer noch, die gestiegenen Renten erlauben einen Döner mehr im Monat. „Wie viel Leut’ arbeiten im Rathaus?“ „Wenn’s gut läuft die Hälft’“, soll der Bürgermeister geantwortet haben.

Um den Kapellenplatz kommt man als Narr wohl nicht herum, gibt’s einen neuen Kreisverkehr, gibt’s einen Megastau? Noch ein bisschen Glasfasernetz für Froschhausen („ob die das brauche’?“) und ein Text zum Mitsingen auf der Leinwand, die sonst die Akteure live im Bild einfängt. Die Straßenmusikanten „Los Schmarotzos“ schmettern ganz im Stile der Mainzer Hofsänger, stecken aber unter bunten Ponchos, Strohhüten und Chullos, den gestrickten Ohrenklappenmützen in Andentradition. Aus dem ausgeklapptem Gitarrenkoffer holt der Rundeste das Schild „Hunger“ hervor, Münzen, Knöpfe und Kreppel landen drin.

Wegen des Datenschutzes kürzen sie die Namen der besungenen Promis auf die Hälfte. Die Mainflinger Hauptstraße soll mautpfichtig werden, tönen sie, Parkplätze werden teuer oder abgeschafft, Biersorten zu alle Anlässen gebraut - zum Geleitsmarkt Pferdeäpfelbier

Vorstandsmitglied Michael Follert kommt als Middle Ager mit wallendem Haar, die „letzte Generation ohne Handy“, sie hatten noch Telefonzellen, also „Smartphones zum Reingehen“. Das dritte Geschlecht stelle vor die Wahl, „1, 2 oder 3, du musst dich entscheiden. Auch angeleuchtete Kartons im Discounter und Bioläden mit Glühwürmchen zwischen den Gurken bewegen ihn, die vegane Tochter „futtert das Vogelhaus leer“.

So kommen Kinder künftig mit USB-Kabel statt Nabelschnur zur Welt und „downloaden“ in die Windeln. „Raketen“ mit Trampeln, Klatschen und Pfeifen provozieren auch Thomas und Tristan Schulz an Gitarre und Klavier. Sie wohnen in Zellhausen, wo’s vielfach kein Internet gebe. „Kommt Helene Fischer einmal in den Kreis Offenbach, lasst ihr euch vom Eppertshäuser austricksen.“

Die Sprachspiele mit italienischem Akzent funktionieren dank Tablett’ und Lambrusco. Das funktioniert auch auf hessisch und sächsisch und als Tom Jones’ „Sex Bomb“. „Männer aus Klein-Heim die Welz, haben"s nicht einfach mit Fraue-finden“, analysiert der Barde, „Häuser Frösch habbe auch Problem, aber Tablett’ hat Grenze’“. Laut Statistik sei jeder dritte Froschhäuser genauso blöd wie die annern zwei. Elvis habe dem Stadtteil ein Lied gewidmet: In The Ghetto. Noch eine Pille, damit Mille hochdeutsch babbelt und Horst Schlämmer macht die Prinzessin an, die sich in der Tuba versteckt. So geht Sitzung!

Weniger praktisch sind die Befehle an Siri und Alexa per App - Frank Eser empfiehlt sich gesten- und bewegungsreich als IT-Spezialist: Der Kühlschrank öffnet wegen Übergewicht nicht. Von der Ski-Bar aus singen die Disharmonie-Männer a cappella, aber mit Viagra und Kondome und gegen Lawinen. So erklingen Loblieder auf Bier und Aperol, „wenn das unsre Frauen wüssten ...“.

Das Trio um Präsident Mille singt als „Ewweletsche von Sellistadt am Maa“ in Schlafgewändern, ein Protokoll in Gestalt einer Moritat mit ganz privaten Anekdoten zur Melodie der „Tramps aus de’ Palz“.

Fotos von der SFF-Sitzung in unserer Bildergalerie.

Weitere Artikelbilder