Zwei Jahre auf Bewährung und Schmerzensgeld Seligenstädter wegen sexueller Nötigung verurteilt

„Hier kannst Du lügen, bis sich die Balken biegen“ heißt es über dem Seligenstädter Lügenbänkchen am Mainufer. Was wohl eine schlechte Idee wäre vor Gericht. Geständnisse helfen da oftmals etwas weiter. Symbolfoto: beko

Seligenstadt (man/b) – Haarscharf schrammt letzte Woche in Offenbach vor dem Schöffengericht ein Mann für eine Straftat am Gefängnisaufenthalt vorbei. Der Staatsanwalt wirft dem 50-Jährigen vor, in Seligenstadt sexuelle Handlungen an der erwachsenen Tochter seiner Lebensgefährtin gegen deren Willen vorgenommen zu haben, „mit einem Eindringen in ihren Körper“. Der Angeklagte gibt alles zu und wird zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.

Die Tat geschah am 1. Mai 2015. Der Angeklagte hielt sich in der Wohnung seiner Freundin auf, ebenso wie deren 25-jährige Tochter. Mit Handtuch umwickelt, verließ sie nach dem Duschen das Bad. Auf dem Weg durchs Wohnzimmer kam der 50-Jährige auf sie zu, drängte sich an sie, versuchte sie zu küssen und steckte ihr dabei einen Finger in die Vagina. Durch Gegenwehr konnte die Frau sich befreien.

Nach dem Vortrag des Staatsanwaltes erwähnt Richter Manfred Beck, der Verteidiger Niklas Fünderich habe ihn im Vorfeld kontaktiert, um anzuklopfen, ob bei einem umfassenden Geständnis eine Bewährungsstrafe herausspringen könne. Beck konstatiert, er habe die Frage prinzipiell für die Sachlage bejaht, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, den Ausgang im konkreten Fall jedoch offen gelassen.

Laut Strafprozessordnung ist der Richter verpflichtet, von der legitimen Anfrage des Verteidigers zu erzählen. Daraufhin beantragt Anwalt Fünderich eine Auszeit für ein verständigendes Gespräch unter allen Prozessbeteiligten; ohne die Protokollführerin, aber mit Kathrin Kiehle, der Anwältin der Geschädigten. Sie vertritt die Nebenklage. Draußen wartet solange sein Mandant.

Das Ergebnis der Einigung verkündet Richter Manfred Beck: Der Angeklagte zahlt an die Geschädigte 3000 Euro, an den Verein „Frauen für Frauen“ weitere 1000 Euro. Neben den Prozesskosten begleicht er die Auslagen der Nebenklage. Das Urteil werde zwischen einem und zwei Jahren Haft liegen, ausgesetzt zur Bewährung, die über vier Jahre laufe. Der Angeklagte stand vorher noch nie vor dem Kadi.

Der lässt im Gegenzug über seinen Anwalt erklären, was vor Gericht ziemlich selten zu hören ist, „der Sachverhalt deckt sich genau mit dem, was die Anklage sagt“.

Normalerweise streiten Angeklagte alles ab, wenn Aussage gegen Aussage steht. Dass die Geschichte hier anders verläuft, könnte an einer Zeugin aus dem Umfeld der Geschädigten liegen. Nach Einlass des Staatsanwaltes hätte die im Falle des Leugnens wohl ausgesagt, der Angeklagte habe auch einmal in ihrer Gegenwart die Finger nicht bei sich behalten wollen.

Der erhebt sich und erklärt Richtung Nebenklagevertreterin, er bitte sie, der Geschädigten auszurichten, „wie leid mir das tut“. Er hätte sich ansonsten direkt bei ihr entschuldigt. Was ihn an jenem Tag motivierte, die 25-Jährige sexuell zu attackieren, das könne er sich nicht erklären, „ich weiß nicht, was mich geritten hat“.

Staatsanwalt und Nebenklage fordern neben 3000 Euro Schmerzensgeld und 1000 Euro für einen guten Zweck zwei Jahre Haft auf Bewährung.

Beide erklären fast wortgleich, „das ist gerade noch das, was vertretbar ist“.

Die Nebenklägerin betont die seelischen Folgen, mit denen ihre Mandantin seitdem kämpfe. Im Prinzip ist der Verteidiger mit allem einverstanden, plädiert aber auf 21 Monate Haft mit Bewährung.

Richter Beck verhängt zwei Jahre auf Bewährung. Die läuft über vier Jahre, plus die erwähnten Gelder. Vergewaltigung läge nicht vor, aber eine sexuelle Nötigung. Durch sein Geständnis habe er dem Opfer langwierige und schmerzhafte Befragungen im Zeugenstand erspart. Dem zerknirscht wirkenden Angeklagten gibt Beck mit auf den Weg, auch wenn eine Frau nur leicht bekleidet an ihm vorbeilaufe, „können Sie sich zusammenreißen“.