Städtische Seniorenarbeit plant Gründung eines Gesundheits- und Sorgenetzwerks Älter werden mit sozialen Kontakten

Kirsten Wolf (links) bespricht die Ergebnisse der Arbeitsgruppen mit den Teilnehmern. Bild: Wittekopf

Dietzenbach – „Jeder möchte lange leben, aber keiner will alt werden!“ Dieses Zitat des irischen Schriftstellers Jonathan Swift (1667-1745) gilt seit Menschengedenken. Doch was bedeuten „älter werden“ und „alt sein“? In der Stadt Dietzenbach beschäftigt man sich schon lange mit diesen Themen: Viele Vereine wie die Seniorenhilfe Dietzenbach (SHD), die Caritas, der Malteser Hilfsdienst, die Arbeiterwohlfahrt (Awo), der Verein „Zusammenleben der Kulturen (ZdK)“ und auch kirchliche Gemeinden bieten Dienste an, um älteren Menschen das Leben möglichst angenehm zu gestalten. Doch die Herausforderungen wachsen, denn der Anteil älterer Menschen wird immer größer. Deswegen hat die städtische Seniorenarbeit unter dem Motto „Gut leben und altern in Dietzenbach!“ Vereine und Institutionen ins Rathaus eingeladen und den Startschuss für ein gemeinsames Gesundheits- und Sorgenetzwerk in Dietzenbach gegeben. Kirsten Wolf, Sachgebietsleiterin der städtischen Seniorenarbeit, beschreibt, dass die Idee zu dieser Veranstaltung auf einer Sitzung zur Umsetzung des Integrationskonzeptes entstanden sei.

Erster Stadtrat und Sozialdezernent René Bacher sieht in dem neuen Netzwerk große Chancen: „Wir können alle Menschen erreichen, auch die, die nur noch wenige soziale Kontakte haben, und sie so wieder am sozialen Leben in der Stadt teilhaben lassen“, sagt er. „Eine der großen Herausforderungen unserer Zeit ist es, dass wir die Gesellschaft zusammenhalten und so allen Menschen Anknüpfungspunkte für soziale Kontakte bieten.“ Referentin des Abends ist Ines Himmelsbach, die an der Katholischen Hochschule Freiburg auf dem Gebiet der „Sozialen Gerontologie“ lehrt und arbeitet. Die Expertin sucht nach Möglichkeiten, wie die einzelnen Lebensabschnitte gestaltet werden können. „Heute fühlen sich die Menschen 65plus sehr gesund und agil“, erklärt sie. Auch die Menschen jenseits von 75 verfügten noch über eine ausgeprägte Gesundheit: „In der Altersgruppe 75 bis 80 Jahre sind nur zehn Prozent der Menschen pflegebedürftig.“ Erst wenn die Menschen ein Alter von 90 erreichten, steige der Pflegebedarf auf über 60 Prozent an. Positiv sieht sie, dass fast alle bis zu ihrem 85. Lebensjahr noch in ihrem eigenen Haushalt leben. Doch damit das Altern gelingt, müssen die sozialen Kontakte frühzeitig geknüpft werden. „Wenn wir jung sind, haben wir unsere Eltern, die sich um uns kümmern“, analysiert sie. „In der Schule haben wir die Freunde, später die Kollegen und nach dem Berufsleben unseren Partner.“ Doch wenn der Partner stirbt, sind viele plötzlich allein. Es sei deshalb sehr wichtig, dass man ein soziales Netzwerk wie Nachbarn, Freunde, Vereinskollegen habe und es auch ständig pflege. Der Begriff „alt“ sei stark stigmatisiert und das nicht nur von der jungen Generation, sondern auch von den Älteren selbst. So habe sie oft die Erfahrung gemacht, dass Alte nichts mit Gleichaltrigen zu tun haben wollten.

Wie schafft man es also, ältere Menschen frühzeitig anzusprechen und dabei gleichzeitig die jüngere Generation mit einzubinden? „Menschen, die Hilfe empfangen, wollen gern etwas zurückgeben“, sagt sie. „Hier müssen wir anknüpfen.“ Derzeit denke die Gesellschaft in Pflegestufen und sehe die Älteren als reine Hilfeempfänger. Doch Menschen seien „hochsoziale Wesen“ und verfügten über viele Qualitäten, die sie gern der Gesellschaft zurückgeben wollten. „Ältere Menschen wollen umsorgt und nicht gepflegt werden.“ Zum Abschluss der Veranstaltung erarbeiten die Teilnehmer in kleinen Diskussionsrunden Vorschläge und Wünsche zu dem Thema. Die Ergebnisse werden dann ausgewertet und zusammengefasst. Am 7. Oktober wird das Projekt auf einer gemeinsamen Veranstaltung aller Netzwerkakteure im Capitol vorgestellt.

Von Burghard Wittekopf