Wegen des Corona-Virus waren keine Besucher bei der Artig im Capitol Ausstellung mit virtuellem Rundgang

Künstler unter sich: Wegen des Corona-Virus fand die Kunstausstellung Artig im Dietzenbacher Capitol in diesem Jahr ohne Besucher statt. Foto: Schmedemann

Dietzenbach (liz) – Am Vorabend hat Fotograf Tim Sebastian Körwers noch einige Stunden und Nerven investiert, um seine Werke für die 14. Artig ins rechte Licht zu rücken. Die letzten Drucke haben ihren Weg auf metallisch-glänzendes Fotopapier gefunden und wenige Stunden später verkündete die Stadt die Absage der Kunstausstellung wegen des Coronavirus. „Das ist natürlich ärgerlich“, sagt der Student, der sich eigentlich gerade Prüfungen stellen müsste. Sichtlich beklemmt richtet Bürgermeister Jürgen Rogg eine knappe Begrüßung an die 25 Künstler, die sich in der Weite des Saales verlieren. „Damit sich die Ausstellung überhaupt gelohnt hat, ist wenigstens die Presse da“, meint der Bürgermeister. Ein Rundgang durch die „historische Artig“. Kunst ist etwas, das man genießt, wofür man sich Zeit nimmt. Die Farben wirken lassen oder vielleicht den Sinn erkennen, den der Künstler mit Farbe und Pinselstrich auf einer Leinwand oder in einer Skulptur festgehalten hat. Die Vielfältigkeit der Artig beeindruckt bei jedem Besuch. Da gleicht kein Werk dem anderen und die Sicherheit, dass niemals dasselbe Bild ein zweites Mal in dieser Ausstellung zu sehen sein wird, schenkt dem Ganzen eine besondere Exklusivität.
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Dass diesmal lediglich die Künstler untereinander ihre Werke betrachten können, verstärkt dieses Merkmal. Das stete Gemurmel und die neugierigen Blicke der Gäste fehlen, dennoch wirkt die Ausstellung nicht tot: Die Künstler kommen untereinander ins Gespräch. Die Stimmung ist zwar nicht euphorisch, doch auch die Enttäuschung hält sich in Grenzen. Ändern kann man es ja sowieso nicht. Der Künstler Marcus Bechinie steht etwas abseits von seinen abstrakten und mit starken Farben sprechenden Bildern. Der Wein, den die Ratsstube ausschenkt, zieht beim nachdenklichen Schwenken fast farblose Streifen an der Wand des bauchigen Glases. Er betrachtet die Werke seiner Nachbarn. „Es ist eigentlich auch mal ganz schön, mit den anderen Künstlern zu sprechen, anstatt selbst viele Fragen zu beantworten“, meint der 41-Jährige. Während er an dem Glas nippt, fokussiert Arno Kuchinka das Geschehen mit einer Kamera. Der Namensgeber der Artig ist damit wohl mehr Gast als Aussteller. „Ich wünsch mir zumindest für die Künstler, dass das gemeinsame Werk einmal die Chance hat, gezeigt zu werden“, meint Kuchinka und deutet auf die Bühne. Dort hängen in mehreren Reihen versetzt die einzelnen Werke zum diesjährigen Thema. In diesen ist das Thema rund um die 800-Jahr-Feier aufgegriffen: Entweder als dreidimensionale Karte des Stadtkerns, als buntes Gemälde, das den Schleier der Vergangenheit abwirft, oder als Sehenswürdigkeit, in der sich Zahlen und Fakten verstecken. Zwischen den kunstbehangenen Trennwänden schiebt Ömer Sabry ein Gestell vor sich her. „Für den geplanten Image-Film wollte ich ohnehin ein paar Aufnahmen machen“, berichtet Sabry. Zwar muss er dafür auf Besucher, die ins Gespräch mit den Künstlern vertieft sind, verzichten, doch die Interessierten wiederum müssen selbiges nicht mit der Artig tun. „Uns kam die Idee, einen virtuellen Rundgang der Ausstellung anzubieten“, erläutert Ralf Spiegel, Pressesprecher der Stadt. Sabry sei sofort bereit gewesen, das Vorhaben umzusetzen. „Dafür habe ich mir heute Mittag spontan eine Kamera gekauft, die 360 Grad aufnehmen kann“, sagt er. Die einzelnen Werke sollen darüber hinaus einzeln anklickbar sein, um sich vor dem heimischen Monitor nachdenklich Daumen und Zeigefinger ans Kinn legen zu können. Der digitale Besuch lohnt sich im Übrigen bei den neuen Teilnehmern der Artig. Erstmals stellen neben den 25 Künstlern auch Schüler der Heinrich-Mann- und Rudolf-Steiner-Schule (RSS) aus. Wegen der Vorsichtsmaßnahmen dürfen die Oberstufenschüler allerdings nicht dabei sein. RSS-Kunstlehrerin Andra Zeylmans kommt selbst aus dem Staunen nicht heraus. Die Collagen, die ihre Schüler zum Thema Jubiläumsjahr kreiert haben, zeigen auch eingefleischten Dietzenbachern ihre Heimatstadt aus einer neuen Perspektive. Da wird Fachwerk mit Beton buchstäblich verknüpft oder die dörfliche Vergangenheit in eine Zukunftsvision verflochten. „Ich hoffe, dass es für die Schüler noch einmal die Möglichkeit gibt, ihre Werke zu präsentieren“, sagt Zeylsman. Denn nicht nur die Bilder entsprechen der Auflage, im nächsten Jahr nicht wieder ausgestellt zu werden. „Die Künstler sind ja dann auch weg – in der Ausbildung, im Studium oder anderswo.“