Diskussionsabend über bedingungsloses Grundeinkommen bei der Arbeiterwohlfahrt „Bestehendes System sanktioniert die Menschen statt sie zu motivieren“

Das Forum des Ortsvereins Dietzenbach der Arbeiterwohlfahrt (Awo) hatte zu einem Informations- und Diskussionsabend zum Thema „Bedingungsloses Grundeinkommen – Spinnerei oder konkrete Utopie?“ eingeladen. Als Referenten konnte die Awo diesmal den aus Obertshausen stammenden Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler Klaus-Uwe Gerhardt gewinnen. Foto: Wittekopf

Dietzenbach (bw) – Das Forum des Ortsvereins Dietzenbach der Arbeiterwohlfahrt (Awo) hatte zu einem Informations- und Diskussionsabend zum Thema „Bedingungsloses Grundeinkommen – Spinnerei oder konkrete Utopie?“ eingeladen.

Als Referenten konnte die Awo diesmal den aus Obertshausen stammenden Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler Klaus-Uwe Gerhardt gewinnen. Der Experte gehörte in den 90er Jahren in Deutschland zu den Mitbegründern der Diskussion um dieses Thema.

Die Moderatoren des Abends, Irmgard Hagel und Reinhold Niembs, begrüßten die zahlreichen Gäste. Das bedingungslose Grundeinkommen wird derzeit sehr widersprüchlich diskutiert. Immer wieder müssen sich die Befürworter mit dem Argument auseinandersetzen, dass eine bedingungslose Hilfeleistung zu mangelnder Arbeitsbereitschaft führe. „Dem ist sehr wahrscheinlich nicht so“, sagt Gerhardt. Vielmehr hätten große Studien gezeigt, dass dieses Einkommen unterschiedlich eingesetzt wird und Freiheitsspielräume für die Ärmsten der Gesellschaft biete.

„Das bestehende System, das aus Sozialhilfe und Hartz IV besteht, ist nicht armutsfest und sanktioniert die Menschen, statt sie zu motivieren“, erläutert der Experte, „Und die Transferleistungen gehen immer weiter zurück.“ Viele Bezugsberechtigte schämten sich oft und würden deshalb keine Leistungen wahrnehmen. Das Ziel eines neuen Systems sei, die Verwaltung stark zu entlasten, die Menschen für Mehrarbeit zu motivieren und so eine Teilhabe am öffentlichen Leben zu gewährleisten.

Seine Berechnung zeigt, dass die Arbeitslosenquote derzeit in Deutschland zwar sehr niedrig ist, aber zwischen zehn und zwölf Millionen Menschen grundversicherungsberechtigt sind.

Darunter sind viele Langzeitarbeitslose, viele Menschen, die eine Grundsicherung im Alter beziehen und etwa drei bis fünf Millionen Arme, die keine Leistungen beziehen, obwohl sie berechtigt wären. Dabei werde sich die Situation gerade durch die demografische Entwicklung und die Digitalisierung drastisch verstärken.

Gerhardt zeigt in seinem Vortrag auf, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen durchaus zu realisieren ist. „Wir müssen die Grundsicherung vereinfachen und die Hürden abbauen, dadurch entlasten wir die Jobcenter, die sich viel mehr der Beratung widmen könnten.“ Er stellt ein Rechenmodell vor, dass die Mehrleistung belohnt, indem die Steuerlast langsam mit steigendem Mehrverdienst steigt. Dabei setzt Klaus-Uwe Gerhard das Grundeinkommen auf 1000 Euro steuerfrei. Jeder kann diesen Sockelbetrag durch eigene Arbeitsleistung beliebig erhöhen. Ab einem bestimmten Betrag setzt dann die Steuerlast ein. Je mehr dazu verdient wird, desto höher die Abgaben. Der „Break-Even“ liegt seiner Berechnung nach bei 2000 Euro pro Einwohner, wobei Kinder nur ein gestaffeltes Einkommen (Annahme 400 Euro) erhalten würden.

Die Kosten für sein Modell berechnet Gerhardt mit jährlich 860 Milliarden Euro.

Angesichts des derzeitigen Volkseinkommens von 2.176 Millionen Euro biete sich hier noch genügend Spielraum.