Horst Schäfer hält Vortrag im Museum für Heimatkunde und Geschichte, zweiter Teil Als Dietzenbachs Bürgermeister Nazis waren

Einen Vortrag zum Thema „Aufstieg und Fall der Dietzenbacher Bürgermeister 1933 bis 1945 hielt Hort Schäfer (rechts) kürzlich im Museum für Heimatkunde und Geschichte. Schäfer ist Autor des Buches „... und tilg nicht unser Angedenken“. Foto: Kammermeier

Dietzenbach (tsk) - Der ehemalige Richter Horst Schäfer hat in einem interessanten Vortrag im vollbesetzten Saal im Museum für Heimtkunde und Geschichte unlängst zum Thema „Aufstieg und Fall der Dietzenbacher Bürgermeister 1933 bis 1945“ referiert.

Dabei befasste der Dietzenbacher sich mit den beiden Nazi-Bürgermeister Eduard Walter Großmann und Heinrich Fickel.

Er schilderte, wie sie zu ihrem Amt kamen und wie sie darin wirkten.

Drei Jahre lang hatte Schäfer zu diesem Thema aufwändig und detailliert recherchiert und seine Ergebnisse zu der Situation der Juden in Dietzenbach im Dritten Reich in dem Buch „...und tilg nicht unser Angedenken“ veröffentlicht. Die Publikation wurde vom Arbeitskreis „Aktives Gedenken in Dietzenbach“, sowie dem Verein „Zusammenleben der Kulturen in Dietzenbach“ herausgegeben.

Heinrich Fickel löste im Jahr 1935 seinen Vorgänger Eduard Walter Großmann ab, der der erste nationalsozialistische Bürgermeister in Dietzenbach war und von Schäfer als „Karrierist der NS-Bewegung“ bezeichnet wird.

Fickel regierte noch herrischer und brutaler als Großmann.

Heinrich Fickel wurde im Dezember 1892 in Offenbach geboren. Er wurde Kaufmann und musste bei Ausbruch des Krieges zur Wehrmacht. Mit seiner Frau adoptierte er ein Mädchen, dessen Vater Jude war.

Fickel lebte mit seiner Familie einige Jahre in Detroit in den USA. Der Besuch einer Versammlung der NSDAP bewog ihn im November 1930 in die Partei, sowie die Sturmabteilung (SA) einzutreten.

Seine Mitgliedschaft in der SA verleugnete er später. Er wollte sogar „eidesstattlich versichern“ niemals in der SA gewesen zu sein.

Fickel wurde im Dezember 1933 als Bürgermeister nach Heusenstamm berufen und ein Jahr später nach Dietzenbach versetzt, wo er ab Januar 1935 tätig war.

1938 trat er aus der katholischen Kirche aus, da er dem politischen Katholizismus den Kampf angesagt hatte und ihre Anhänger später auch drangsalierte.

Aus demselben Jahr existiert ein Foto, welches auf dem Reichsparteitag in Nürnberg aufgenommen wurde und ihn zusammen mit anderen NSDAP-Ortsgruppenleiter des Kreises Offenbach zeigt.

Fickels Benehmen in Heusenstamm wurde getadelt und der NSDAP-Kreisleitung und partiell sogar dem Reichsführer Adolf Hitler mitgeteilt. So sei er etwa in betrunkenem Zustand durch die Straße getorckelt, habe unterschlagen und betrogen und einem Heusenstammer „schweres Übel angedroht“ weil dieser ihn unter anderem nicht mit „Heil Hitler!“ gegrüsst habe.

Wegen den Beschwerden richtete sich Heinrich Fickel sogar in einem Brief hilfesuchend an den Reichspropagandaminister Dr. Joseph Goebbels, den er bei einem Besuch in Offenbach kennen gelernt hatte. In Dietzenbach herrschte jedenfalls Angst vor dem Bürgermeister Fickel. Der Lehrer Adolf Eberhard schrieb: „Die Bevölkerung weiß ganz genau, dass jeder, der den Mund auftut, dies bei andere Gelegenheit büßen muss“, steht in dem von Schäfer geschrieben Buch zu dem Thema.

Fickel nahm seine Parteimitgliedschaft in der NSDAP sehr ernst und verfolgte den verbotenen Umgang mit Juden sogar bei den eigenen Parteimitgliedern. Auch verhaftete und schikanierte er Kommunisten und Sozialdemokraten. Es kam sogar zu tätlicher Gewalt gegen den Viehhändler und Gemeindevorsteher der jüdischen Gemeinde, Hermann Wolf. Die Kritik an dem Bürgermeister kam nicht nur von politschen Gegnern, sondern auch aus den eigenen Reihen und der Bevölkerung. Es wurde ihm unter anderem Vorteilsnahme vorgeworfen und ungerechte Handlungen.

Er wurde in einem Untersuchungsbericht der NSDAP-Gau-Inspektion als „grob und ungeschickt“ bezeichnet.

Dennoch blieb er im Amt und konnte weiter sein Unwesen treiben.

Als die Amerikaner im März 1945 in Dietzenbach einrückten, war Fickel verschwunden. Festgenommen wurde er auf dem Gutshof Paterhausen, kam in einer Internierungslager und wurde im September 1945 wieder entlassen. Nun tauchte er wieder in Dietzenbach auf, was die Bevölkerung empörte.

Der nunmehr eingesetzte Bürgermeister Karl Krapp begann eine öffentlich ausgehängte Bekanntmachung mit den Worten: „Der früher durch seine Brutalität und Gewalttätigkeit hinreichend bekannte Nazihäuptling Heinrich Fickel ist seit Samstag wieder auf der Bildfäche erschienen. Welche Drangsale dieser Mann vielen Ortseinwohnern antat, ist hinreichend bekannt...“.

Fickel wurde nach Beendigung des Krieges zunächst als Hauptschuldiger zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt, in einem Berufungsvefahren dann aber zu dreieinhalb Jahren. Sein Vermögen sollte bis auf 40 Prozent, mindestens jedoch eintausend Mark, als Wiedergutmachung eingezogen werden. Er sollte ein Drittel der Verfahrenskosten tragen. Fickel wurde schließlich nur noch als Belasteter eingestuft. Die Vollstreckung der eintausend Mark war wegen Vermögenslosigkeit fruchtlos. Ein Gnadengesuch von Heinrich Fickel wurde abgelehnt.

Er starb 68-jährig im September 1961 in Eppingen.