Jugendliche kicken beim Mitternachtsport von „Zusammenleben der Kulturen“ auch in den Ferien Freude über die besonderen „Hallos“ auf der Straße

Fünf gegen fünf: Beim Mitternachtssport des Vereins „Zusammenleben der Kulturen“ kicken Jugendliche ganz unverbindlich freitags für drei Stunden in der Philipp-Fenn-Halle. in der Rodgaustraße. Foto: Schmedemann

Dietzenbach (liz) – Durch die Dachfenster der Dietzenbacher Philipp-Fenn-Halle in der Rodgaustraße scheint weißes Licht, das freitagabends dem Mondschein Konkurrenz macht. Auch wenn die Kirchenglocken zur Geisterstunde läuten, herrscht in der Halle noch reges Treiben.

Durch die offenen Seitentüren zieht eine viel zu warme Brise, doch das hält rund 20 Jugendliche nicht davon ab, den „Mitternachtssport“ zu besuchen.

Das Sportangebot des Vereins „Zusammenleben der Kulturen“ ist inzwischen zu einem Ritual mehrerer Generationen geworden. Zwischen 22 und 1 Uhr gehört die Halle ganz den Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren.

Dort haben sie die Möglichkeit, abseits von Vereinssportregeln oder heimischen Pflichten sich auf dem Spielfeld auszupowern oder sich in kleinen Gruppen ohne die Ohren von Eltern oder Lehrern auszutauschen. Die Chance, unter sich zu sein.

Einen Blick auf die Armbanduhr gerichtet, pfeift Betreuer Nevres Kaya das Spiel ab. Die zehn Minuten sind um, die Mannschaften wechseln. Gelassen schlendern die zehn Kicker vom Feld, mit einem seligen Lächeln im Gesicht.

Als Gast auf der Tribüne merkt man, dass es bei dem Fußballspiel nicht ums Gewinnen geht.

Auf den Handschlag mit dem Betreuer verzichten die Spieler aus coronatechnischen Gründen, ein hochgestreckter Daumen informiert jedoch alternativ über das Befinden.

Der Umgang unter den Spielern und den Betreuern ist freundschaftlich. Von der künstlichen Rivalität, die Turniere mnchmal mit sich bringen, spürt man nichts.

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„Das war auch schon anders“, erinnert sich Kaya. Da flogen auch schon Flaschen von der Tribüne. „Eine harte Zeit“, holt der Betreuer weiter aus. Dennoch: Gemeinsam mit Ismael Tuztas und Badar Miftha hat er an dem Projekt festgehalten: „Die Turnierspiele haben wir abgeschafft – damit der Spaß im Vordergrund steht.“

Mit der Corona-Pandemie sah sich der Verein zunächst vor das nächste Problem gestellt; der Mitternachtssport war für einige Wochen stillgelegt. „Zu Anfang der Sommerferien kam aber die Stadt auf uns zu und bat uns, das Projekt in den Sommerferien wieder zu starten“, berichtet Beisitzerin Gerti Röhner. Der Kerngedanke, mit dem der Verein den Mitternachtssport 2006 unter seine Fittiche genommen hat, ist, den Jugendlichen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung zu bieten. Der Vorstand setzt sich seitdem ehrenamtlich für die Organisation ein, die Stadt stellt die Halle zur Verfügung und unterstützt zusammen mit dem Kreis Offenbach das Projekt finanziell. „Wir holen die Jugendlichen damit von der Straße“, sagt Beisitzer Lothar Kämmer. Betreuer Nevres Kaya bestätigt: „Die Nachfrage ist groß – wenn wir das auch samstags anbieten würden, wäre die Halle sicher auch voll.“

Nach der Bitte der Stadt hat der Verein die Köpfe zusammengesteckt und ein Hygienekonzept entwickelt. Normalerweise pausiert der Sport in den Ferien, doch da sowohl die Jugendlichen als auch die Vereinsmitglieder nicht in den Urlaub fahren, war die Entscheidung für den Wiedereinstieg eine leichte. Statt sechs Teilnehmern pro Mannschaft wetzen nun nur noch fünf dem runden Leder hinterher. „Das ist eigentlich viel angenehmer so“, meint Kaya. Eine Änderung, die möglicherweise auch die Pandemie übersteht. Röhner lobt: „Die Jungs setzen die Hygieneregeln sehr gut um, denn sie wollen ja auch, dass das Projekt nicht wieder einschläft.“

Obwohl der 16-jährige Ilias beim FC Dietzenbach spielt, ist der Mitternachtssport fester Bestandteil seiner Abendgestaltung. „Das ist hier auch was anderes, hier gibt es keine Regeln wie im Verein. Außerdem kann man sich hier mal mit den Älteren messen.“ Die Zeit auf der Tribüne nutzt er mit seinen Freunden, um Verabredungen am Badesee zu vereinbaren oder einfach mal so zu quatschen. „Ich bin froh, dass wir wieder herkommen können“, sagt der 16-Jährige, der sich während des Lockdowns die Zeit mit Joggen oder Kraftsportübungen vertrieben hat.

Dass Jugendliche auch einmal ein offenes Ohr brauchen, weiß Ismael Tuztas. Der Betreuer ist auch im Bildungshaus tätig, mit dem der Mitternachtssport kooperiert. „Manche kommen nur ein paar Mal, sprechen sich aus und kommen dann lange Zeit nicht“, berichtet er. Den Kickern zudem eine Adresse für Vertrauen zu sein, motiviert Tuztas. „Wir begleiten die Jugendlichen über einige Jahre, fast wie Schuljahrgänge“, ergänzt Tuztas. „Und irgendwann steigt ein erwachsener Mann neben dir aus einem Auto aus und freut sich wieder wie früher, dich zu sehen“, schwärmt Tuztas, „das sind dann die besonderen ,Hallos’ auf der Straße, die einen einfach freuen.“