Josef Rothmann ist mit seiner Brezelwerkstatt seit mehr als 25 Jahren Stammgast auf dem Europaplatz Gegen den Hunger oder als Reminiszenz ans Weinfest

Dietzenbach (liz) – Seit Montag vergangener Woche Anfang der Woche bietet sich den Dietzenbachern ein vertrauter Anblick: „Josef’s Brezelwerkstatt“ ist für vier Wochen auf dem Europaplatz zu Besuch.

Die große, gelbe Brezel an der Holzfassade der mobilen Backstube verbinden die meisten Passanten wohl mit dem Weinfest, das eigentlich Ende Juli stattgefunden hätte.

Seit 27 Jahren ist Josef Rothmann fester Bestandteil davon. Deshalb lässt sich der Saarländer von der Corona-Pandemie keinen Strich durch die Rechnung machen, zumindest keinen durchgezogenen.

Mit dem hiesigen Weinfest fallen für den 67-Jährigen insgesamt sechs Veranstaltungen weg.

„Das sind drei Monate“, rechnet Rothmann hoch. Dass er diesen Verlust nicht mehr wett machen kann, ist dem Ruheständler bewusst. „Aber mir würde etwas fehlen: Man pflegt über die ganzen Jahre ja doch Freundschaften“, beschreibt er, ehe er das nächste „Hallo“ Richtung Rathauscenter schickt und damit ein Lächeln unter einer Alltagsmaske beantwortet. „Es freut mich sehr, dass ich bisher viel positive Resonanz über Facebook bekommen habe, jetzt müssen die alle nur noch kommen und hier Brezeln kaufen“, scherzt Rothmann in schönstem Saarländisch.

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Trotz der Umstände bleibt es bei den üblichen vier Euro für das geschlungene Laugengebäck, wahlweise mit Salz oder Sesam. Rothmann rechnet damit, am Tag etwa 100 Kilogramm Brezelteig zu verarbeiten. Eine Menge, die der Saarländer an einem Weinfesttag in nur drei Stunden verbraucht. Zusammen mit Enkelsohn Marvin Boiger freut er sich über jede Brezel, die frisch gebacken und herrlich duftend die Bude verlässt. Einen Vorteil hat die Coronazeit: Der 19-Jährige muss zurzeit nicht die Schulbank drücken, die Prüfung fürs Fachabitur verschiebt er freiwillig. Stattdessen steht er zusammen mit seinem Großvater in der engen Brezelwerkstatt, in der bis zu 80 Grad Celsius herrschen. Diese Leidenschaft wurde dem jungen Mann wohl in die Wiege gelegt. „Das macht halt einfach Spaß, hier zu stehen und mit den Leuten ins Gespräch zu kommen“, findet Boiger. Und nicht nur darin ähneln sich die beiden: „Nach dem Abschluss will er sich hier im Rhein-Main-Gebiet eine Ausbildung suchen, wahrscheinlich in Mühlheim“, nimmt der Großvater vorweg. „So wie ich damals: ein Wandervogel.“

Rothmann startete seine kulinarische Karriere schon vor fast 30 Jahren in Dietzenbach. Damals betrieb er noch eine Currywurstbude. Nach einem Unfall war diese nicht mehr zu retten. Der umtriebige Saarländer ließ sich jedoch schon damals nicht unterkriegen und orientierte sich um. Seither genießen die Riesenbrezeln Kultstatus auf den Weinfesten der Umgebung. „Manche Kunden fahren aus Bad Soden hier runter, um eine Brezel zu essen und einen Wein zu trinken“, erzählt Rothmann. Diese Treue der Brezelfans weiß der 67-Jährige zu schätzen und hofft auf Unterstützung während der Coronazeit. „Dass sie mir alle am ersten Tag nicht die Bude einrennen, ist auch klar“, sagt er und lacht. Dankbar ist er auch der Stadt, vier Wochen lang auf dem Europaplatz stehen zu dürfen. „Als die ganzen Absagen losgingen, habe ich natürlich Alternativen gesucht“, berichtet er. Die Idee, vor Supermärkten zu stehen, fand keinen Anklang, auch andere Kommunen zeigten sich nicht bereit. „Vielleicht ändert sich das ja noch, die können sich gerne bei mir melden.“

Frische Brezeln – ob nun gegen den Hunger oder als Reminiszenz ans Weinfest – gibt es von Montag bis Freitag jeweils von 10 bis 19 Uhr und samstags von 10 bis 17 Uhr bis zum 18. Juli vor dem Rathaus-Center-Eingang.