Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts ging das Interesse an der Kräuterkunde verloren. Doch das New-Age-Bewusstsein Anfang der 1960er Jahre führte zu einem Aufschwung der Kräuterkunde und der komplementären Medizin in den 1980er Jahren, einschließlich einer Belebung der Edward Bach Blütentherapie und der inzwischen sehr beliebten Kunst der Aromatherapie.
Der Obst- und Gartenbauverein Dietzenbach (OGV) knüpft an diese Tradition an. Mitglied Gabriele Katharina Wolf, ausgebildete Pflanzenkundlerin, bietet Kräuterspaziergänge um Dietzenbach an. Sie möchte ihre Erfahrungen an Interessierte weitergeben. „Gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen“, sagt sie in ihrer Begrüßung. „Ich möchte, dass wir wieder weg von den Tabletten kommen.“
Die erste Kräuterwanderung war schon ein großer Erfolg.
Und auch diesmal nehmen 25 Interessierte teil. Gleich zu Beginn verteilt Wolf Bücher, mit denen die Pflanzen bestimmt werden können. Meistens geht es am Feld entlang, denn da wachsen die meisten Pflanzen. Um bei einem Kräuterspaziergang fündig zu werden, muss gar nicht lange gesucht werden. Schon nach wenigen Schritten findet sich die Wegwarte, die gerne am Straßenrand wächst. Sie wird - wie so viele Kräuter - zur Stärkung der Verdauungsorgane verwendet. Als Bach-Blüte wird sie übrigens unter dem Namen „Chicory“ zur Behandlung von Verhaltens- und Gemütsstörungen eingesetzt. Nach drei weiteren Schritten steht die Gruppe schon vor der nächsten Pflanze. „Das ist der Gemeine Beifuß“, erklärt Wolf. Die Pflanze wird besonders gerne für Gänsebraten verwendet, erklärt sie. Die getrockneten Blätter werden als Tee gereicht. Keine fünf Meter weiter steht der Giersch. Die Teilnehmer erfahren, dass die Heilpflanze den Stoffwechsel fördert und die Harnorgane reinigt. „Bei Kräutern muss man genau hinschauen, denn es kann durchaus zu Verwechselungen kommen“, erzählt Wolf. So etwa kann der Giersch mit dem Schierling verwechselt werden und der ist giftig. „Deshalb schauen sie genau hin und fragen im Zweifel lieber nach.“ Nachdem ein Kraut klar bestimmt worden ist, erzählt Wolf etwas über die Verwendung und Wirkung. Generell helfen viele Kräuter bei Verdauungsproblemen. Aber nicht nur innerlich werden sie angewendet. Gerade die Schafgarbe und der Giersch können zu Salben, Öle oder Heilbäder verarbeitet werden. Ein paar Schritte weiter stehen Spitz- und Breitwegerich. Wolf erzählt, dass der Spitzwegerich hustenlindernd ist. „Man kann Blätter und Blüten mit Honig zu Sirup verarbeiten“, erzählt sie. Aufgrund der hohen antibakteriellen Wirkung wurde Spitzwegerich zur „Arzneipflanze des Jahres 2014“ gewählt. Der Kräuterspaziergang ist eigentlich kein Spaziergang, denn nach einer Stunde hat die Gruppe gerade mal 50 Meter geschafft und bereits sehr viele weitere Pflanzen gefunden und bestimmt. Immer wieder bilden sich kleine Gruppen, die mit Hilfe der Bücher versuchen die Pflanzen zu bestimmen. Dabei zeigt sich, dass viele Teilnehmer bereits über ein Grundwissen verfügen. So wie Venuse Nemec, die gerade eine Baldrianpflanze untersucht. „Ich kenne die Pflanze“, sagt sie. „Das hier ist der Falsche Badrian, denn der Echte Baldrian ist viel farbintensiver.“ Gudrun Werwatz fühlt sich an ihre Kindheit erinnert: „Meine Mutter hat uns in unserer Jugend immer mal gezeigt, was es für Pflanzen gibt“, sagt wie. „Es ist doch erstaunlich, wie viele ich doch wiedererkenne.“ Traudel Böß findet den Kräuterspaziergang ganz toll. „Der Termin ist super vorbereitet, spannend durchgeführt und man lernt jede Menges Neues.“
Der nächste Termin steht auch schon fest: Am 25. August findet auf dem Gelände des OGV ein Vortrag über die Kräuterwanderungen statt.