Bienenvölker sind perfekt durchorganisierte Staaten. Angeführt von der Königin bis zu den Arbeiterinnen – alle streben danach, dass das Volk überlebt und sich möglichst vergrößert. Während die Königin die Eier legt, betreuen die Arbeiterinnen im Stock die Brut, sammeln energiereichen Nektar sowie Honigtau und verarbeiten beides zu Honig, dem zentralen Treibstoff, der das Bienenvolk am Leben hält. Umso wichtiger ist es, dass die fleißigen Tiere stets einen Vorrat anlegen.
Ein Bienenstock besteht aus mehreren übereinander gestapelten Magazinen, die in der Fachsprache Beute heißen. Jede Beute ist mit Zargen bestückt, in denen sich die Waben befinden. Platzangst darf eine Biene nicht haben, denn im Stock ist es eng. Bis zu 50 000 Bienen teilen sich die Behausung. Für jedes Insekt bliebt da gerade mal eine Fläche von einem Quadratzentimeter. Der Stock muss trocken und gut durchlüftet sein. Die Temperatur wird von den Bienen selbst geregelt. Im Sommer beträgt sie durchschnittlich 35 Grad, im Winter sind es 20 Grad. Sinkt die Temperatur, so versammeln sich die Bienen um die Brut und erzeugen durch Vibration der Muskeln Körperwärme. Steigt sie dagegen zu stark an, dann versammeln sie sich am Eingang des Stocks und fächeln mit ihren Flügeln die warme Luft heraus. Dabei schafft eine Biene über 7 000 Flügelschläge in der Minute.
Wie viel Honig der Imker ernten kann, hängt von mehreren Faktoren ab. „Wenn es viele heiße Tage gibt, dann müssen die Bienen sehr viel lüften“, erläutert Schiratis-Erlat. „Dazu fressen sie vom Honigvorrat.“ Auch die Klimaerwärmung mache vor den Bienen nicht Halt: „Im Februar war es schon warm, und die Bienen denken dann, dass der Frühling bald kommt“, erklärt sie. „Also fangen sie bereits mit der Brut an.“ Da sie zu wenig Nahrung finden, fressen sie vom Vorrat. Weitere Faktoren sind Krankheiten wie ein Varroamilben-Befall, Luftfeuchtigkeit, das Flugwetter zu den Trachtzeiten und letztlich das Geschick des Imkers. „In der Regel kommen je Stock jährlich ungefähr 20 bis 25 Kilogramm Honig zusammen“, berichtet Schiratis-Erlat und öffnet den Deckel des ersten Stocks. Zehn Zargen befinden sich darin, alle prall mit Honig gefüllt. Bevor die Ernte beginnen kann, muss die Imkerin die Qualität des Honigs bestimmen. Dazu nimmt sie einen Tropfen des süßen Safts und träufelt ihn auf die Scheibe des Refraktometers. Wichtig ist der Wassergehalt. Ist dieser noch zu hoch, dann ist der Honig nicht reif. Doch diesmal stimmt alles: „Der Honig ist reif“, sagt Schiratis-Erlat.
Dann baut die Imkerin eine Zarge nach der anderen aus der obersten Beute aus. Bienen, die sich noch auf der Wabe befinden, entfernt sie sanft mit einem Besen. Danach verstaut sie die Zarge in einer Kiste. Schließlich öffnet sie zur Kontrolle die zweite Beute. Dort befindet sich die Königin. Die ist deutlich größer als die Arbeiterinnen und hat einen grünen Punkt auf ihrem Rücken. Auch dort ist alles in Ordnung. Letztlich nimmt Schiratis-Erlat noch eine Futterrandprobe, um sie auf Krankheiten und Schadstoffe zu untersuchen. Bienen nutzen die Waben geschickt aus: Den Honig, den sie für die Aufzucht brauchen, lagern sie am Rand der Wabe, das nennt sich „Futterrand“.
Nach der Ernte baut Schiratis-Erlat den Bienenstock wieder ordentlich zusammen. Alles hat gut geklappt. Nur die Ausbeute könne besser sein, aber das liege an dem zu warmen Wetter dieses Jahr, sagt sie. Als letztes schleudert sie den Honig und filtriert ihn, um eventuelle Wachsteilchen und andere Schwebstoffe zu entfernen. Dann muss er noch gerührt werden, damit der Zucker im Honig nicht auskristallisiert.