Beschädigten Haushaltsgeräten ein neues Leben schenken Letzte Station vorm Sperrmüll

Andreas Gündel repariert den verbeulten Notenständer von Volontärin Lisa Mariella Löw beim Repair-Café im DRK-Haus.

Dietzenbach – Trotz der kleinen Tropfen, die nass und beständig vom Himmel fallen, kommen zahlreiche Bürger mit ihren defekten Kleingeräten vorbei: Staubsauger, Mixer, Bohrmaschinen, Bügeleisen, Jacken und Hemden werden kaputt durch die Eingangstür getragen. Nach einigen geschickten Handgriffen können die Besitzer den Großteil wieder funktionstüchtig mit nach Hause nehmen. Um mich selbst von den Reparaturkünsten der zwölf ehrenamtlichen Helfer beim Dietzenbacher Repair-Café zu überzeugen, bringe ich meinen 16 Jahre alten Notenständer mit. Das schwarze Gestell zum Klappen begleitet mich seit meinem ersten Schultag zu zahlreichen Flöten-, Saxophon- und Trompetenkonzerten. In den Jahren des emsigen Tragens meiner Notenblätter haben sich mehrere Schrauben gelockert, die Ständerseiten verbogen. Die Halterungen lösten sich aus ihren Befestigungen und hängen lose am Gerüst. Kurzum: Nicht einsatzbereit. Das Repair-Café ist die letzte Station vorm Sperrmüll. Als ich das DRK-Haus betrete, dröhnt ein lauter Schwall an Geräuschen an meine Ohren. Das Heulen eines Staubsaugers vermischt sich mit dem Surren einer Nähmaschine und dem Klimpern einer Zange. Einzelne Wortfetzen fröhlicher Menschen komplementieren die geschäftige Geräuschkulisse. Mein Notenständer und ich werden freundlich begrüßt und dürfen sogleich auf einer gemütlichen Anmeldecouch Platz nehmen. Während ich in die Tiefen des weichen Stoffes einsinke, fülle ich einen Anmeldebogen aus. Dort gebe ich an, welchen Gegenstand ich mitbringe und wo genau er beschädigt ist: Meinen schwarzen Notenständer mit ausgeleierten Halterungen. Eine ehrenamtliche Helferin begutachtet meinen Zettel. Im nächsten Moment habe ich schon von ihr einen technischen Handwerker zugeteilt bekommen.

Andreas Gündel führt mich tiefer in das DRK-Haus hinein, bis wir vor seinem hölzernen Arbeitstisch stehen. Darauf türmen sich Zangen, Nägel, Schrauben und jede Menge anderes Werkzeug. Ich stelle meinen Notenständer hoffnungsvoll in die Tischmitte. Mein Helfer greift beherzt zu und scheint fachmännisch zu Werke zu gehen. Er macht sich an den Schrauben zu schaffen. Dreht den oberen Teil in alle Richtungen, zieht und zerrt das Gestell in alle möglichen Winkel. Gespannt beobachte ich jeden seiner Handgriffe. Nach wenigen Minuten packt er schließlich meinen halb reparierten Notenständer und beugt sich zu mir, damit ich ihn in dem ganzen Reparaturlärm verstehe. „Das gefällt mir noch nicht. Wir müssen mal rausgehen.“ Andreas Gündel ist in der DDR aufgewachsen. „Aufgrund der Ressourcenknappheit habe ich schnell gelernt, alles Mögliche zu reparieren“, erklärt er seine beiden geschickten Hände. Deswegen ist er jetzt auch ganz genau mit meinem Notenständer. Weder Kälte noch Nässe können Andreas Gündel davon abhalten, meinen Notenhalter draußen vor der spärlichen Überdachung des DRK-Hauses auseinanderzunehmen. Er legt ihn seitlich auf die Treppenstufen und hämmert auf die gelockerten Schrauben ein: Tocktocktock, ertönt es laut. Immer mehr Schläge steckt mein Notenständer ein. Schläge, die schließlich zu seiner Genesung führen. Mit einem ganz besonders festen Schlag saust der Hammer dann ein letztes Mal auf das Gestell.

Zufrieden schraubt Gündel das Gestell zusammen: Nun steht da ein 1A-Notenständer. Seine 16 Jahre sieht man ihm plötzlich gar nicht mehr an. „Wie neu“, stelle ich bewundernd fest. „Heutzutage wird alles auf Verschleiß produziert“, klagt Andreas Gündel. „Darum geht es hier, dass wir ein Zeichen gegen die Wegwerfgesellschaft setzen“, erklärt er sein Motiv, ehrenamtlich zu helfen. „Und natürlich, um nette Menschen kennenzulernen.“

Von Lisa Mariella Löw