Publikum belohnt Hagen Rether mit tosendem Applaus und stehenden Ovationen Meister des „bissigen Endzeit-Kabaretts“

Der Kabarettist Hagen Rether präsentierte sich auch bei seinem knapp dreistündigen Gastspil im Dietzenbacher Capitol als Meister der klaren, direkten Worte.. Das Publikum belohnte ihn mit tosendem Applaus und stehenden Ovationen Foto: Wittekopf

Dietzenbach (bw) – Die Show von Hagen Rether ist gerade nach knapp drei Stunden zu Ende gegangen. „Irgendwie habe ich wohl vergessen rechtzeitig abzubiegen“, kommentiert er die späte Stunde. Das Publikum im ausverkauften Capitol wirkt zwar schon etwas müde doch es belohnt den Künstler mit tosendem Applaus und stehenden Ovationen.

Rethers Markenzeichen ist schließlich „Entschleunigung.“ Hektik ist bei ihm nicht zu spüren. Der Meister des „bissigen Endzeit - Kabaretts“ fesselt seine Zuschauer vielmehr mit seiner norddeutschen Gelassenheit. Doch wer dahinter eine gespielte Methodik vermutet, liegt falsch, denn Rether spielt nicht Rether, sondern er ist Rether. Er ist kein gewöhnlicher Kabarettist. Rether ist ein Aufklärer und Wachrüttler und ein bisschen ein Weltverbesserer. Viele seiner Witze sind nicht komisch, sondern einfach nur wahr.

So sind seine scharfen Angriffe auf die Politik und die Gesellschaft nicht plakativ geschickt verpackte Weisheiten, sondern Rether lebt seine Philosophie. Der „linksliberale Multi-Kulti-Öko-Spinner-Humanist-Pazifist-Feminist“ wettert gegen die Fleischindustrie und die von den christlichen Landwirtschaftsministern praktizierte Politik. Als bekennender Veganer verzichtet er nach eigenen Angaben aus reiner Überzeugung auf tierische Produkte: „Ich mache solange Kabarett, bis Fleisch in Deutschland verboten ist.“ Aus umweltpolitischen Gründen reist er nicht mehr mit dem Flugzeug.

Für seine Show braucht er nicht viel: Er trägt einen dunklen Anzug und Pferdeschwanz und sitzt auf einem Bürostuhl neben einem Flügel. Auf dem Klavier liegen Bananen. „N’Abend. Haben Sie schon Winterreifen?“, fragt er noch, um dann mit ruhiger, sonorer Stimme seine Salven abzufeuern: Tempolimit, Dieselkrise, Donald Trump, Globalisierung, Ausbeutung, Flüchtlinge, Fremdenfeindlichkeit, Kirche und Massentierhaltung sind seine Themen. Und die aktuelle politische Lage im Land samt der Parteienlandschaft. „Wir haben die Wahl zwischen Pest und Cholera. Da wähle ich doch lieber Cholera. So einen Durchfall bekommst du wenigstens noch weg!“

Rether redet einem ins Gewissen ohne die Moralkeule zu schwingen. Der Meister der klaren, direkten Worte hat seine eigene besondere Art, seine Wahrheiten so zu sprechen, dass sie nicht zur Comedy verkommen, sondern als scharfe Satire eine Wunde in die eigene Psyche ritzen und den Zuschauer mit dem Auftrag zur Selbstverantwortung zurück lässt. „Wir reden immer nur über Themen, aber keiner packt die Sachen wirklich an“, kritisiert er die Arbeit der politischen Parteien. Das Schlimme jedoch ist: „Und keinen hier stört es, denn wir sind zu satt.“

Doch die Verantwortung tragen nicht „die Mächtigen“ allein, sagt er. Das Schimpfen auf „Die da Oben“ sei sinnlos. Damit entlarvt der unbequeme Kabarettist so manchen Volkszorn als reine Stammtischrede, die den Unwillen, unsere eigenen, fatalen Gewohnheiten zu überwinden, übertünchen sollen. „Wir, ihre mehr oder weniger willigen Kollaborateure, müssen uns wohl am eigenen Schopf aus unserer Komfortzone ziehen, um nicht in den Abgrund zu stürzen, den wir gemeinsam geschaufelt haben.“

Rethers Programm heißt „Liebe“, und das schon seit vielen Jahren, so richtig geht es in seinem Programm nicht um Liebe, mag man meinen. Dabei geht um viel mehr, nämlich um die Menschlichkeit und die Menschenliebe eines Kabarettisten, der an Aufklärung und an die Möglichkeit zur Umkehr noch am Abgrund glaubt.

Schon in Pause diskutieren Theater-Besucher begeistert über seine Sichtweisen. Doch unterschiedlicher können die Meinungen der Besucher nicht sein. „Das ist mir zu anstrengend und zu parteipolitisch und vieles ist reiner Unsinn“, „Er spricht genau die richtigen Themen an“ bis zu „Einfach sagenhaft, ich liebe seine direkte Art“, sind die Aussagen. Ohne Frage regt Rether zur kontroversen Diskussion an. Und damit hat er schon viel mehr erreicht als manch ein Politiker.