„Brennnessel-Sitzung“ sorgt einmal mehr für Furore Wenn sich ein Schmetterling zur Raupe zurück entwickelt

Karneval, Comedy und Kabarett sind feste Bestandteile der Faschingsveranstaltungen im Theater Schöne Aussichten (Thesa) in der Dietzenbacher Altstadt. Auch in diesem Jahr füllt es sich für die „Brennnessel“-Sitzungen. Foto: Schmedemann

Dietzenbach (lsd) – Karneval, Comedy und Kabarett sind feste Bestandteile der Faschingsveranstaltung im Theater Schöne Aussichten (Thesa). Auch in diesem Jahr füllt es sich für die „Brennnesseln“.

Im geschmackvollen roten Sakko mit schwarzen Lackschuhen und Strohhut begrüßte Reiner Wagner seine Gäste im Thesa. Er führte sie durch das Programm der „Brennnessel“. Nach einem Kanon mit dem Publikum ließt Wagner das vergangene Jahr Revue passieren und stellte fest: „So alt wie jetzt bin ich noch nie in meinem Leben gewesen.“ Nach überwundener persönlicher Krise blickte der Satiriker auf die politische Lage Deutschlands zurück: Er bezeichnete die stellvertretende AfD-Bundesfraktionsvorsitzende Beatrix Amelie Ehrengard Eilika von Storch kurz als „Reichsverweserin“. Für 2018 wünscht sich Wagner ein Waffenverbot und führt ein Gedankenexperiment durch: „Stellen Sie sich vor, es gäbe keine Waffen, sondern nur noch Kissen, mit denen man sich schlägt“, sagte er. Eine Auseinandersetzung sei nicht so schlimm wie mit Gewehren – außer die Eckbank hänge noch am Polster.

Nach seinem Rückblick gab Wagner das Wort an Frank Hilsamer weiter, der Goethes Erlkönig zum Besten geben wollte. Leider hatte er den falschen Text dabei. „Mandant, was birgst du so bang dein Gesicht?“ fragt ein Anwalt in Hilsamers Vortrag. Während der Poet das Original suchte, kam die Mutter der „blauen Bank“, Elke Schott, auf die Bühne. Sie berichtete von ihrem todkranken Mann, der an Männergrippe litt und in die Notaufnahme musste. „Das ist eine Metamorphose vom Schmetterling zur Raupe“, beklagte Schott. Auch Angie Bekele kennt das Leiden der Männerwelt. „Sexuelle Belästigung durch Frauen ist jetzt Trend“, sagte sie.

Ihr Debüt auf der Thesa-Bühne feierten Martina und Reinhard Brandtner mit ihren „Blitzsketches“. Als „Parteivorsitzender“ redete Karl-Heinz Lehr viel, sagt aber nichts.

Nachdem Hilsamer den zweiten falschen Erlkönig-Text vorgetragen hatte, sorgte der „Harte Hesse“ Gottfried Lehr an der Gitarre für Stimmung. Mit seinem Lied „Verscholle in de Wedderau“ traf er ins Schwarze. „Die Sach zwische Frankfurt und Offebach“ ist auch an den Bad Vilbelern nicht vorbeigegangen.

Von seinen Problemen mit aufdringlichen Callcenter-Mitarbeitern berichtete Reiner Kilian. Nach dem dritten und erfolglosen Erlkönig-Versuch parodierte Hilsamer Udo Lindenberg und Peter Maffay. Der ehemalige Animateur machte das Publikum heiß und schließlich betrat ein besonderer Gast die kleine Bühne: Gerold Steiner aus der Pfalz war schon vergangenes Jahr bei der Brennnessel dabei und kam auf Wunsch wieder. Seine selbst komponierten Lieder trug er in pfälzischem Dialekt vor. Das sorgte zusammen mit seiner komischen Mimik und Gestik durchweg für Lacher.

An die Stelle Steiners treten bei der nächsten Brennnessel-Sitzung die „Original Palmdudler“, die sich im vergangenen Jahr für das Thesa-Musical „De Bersch ruft“ gegründet hatten. Die Dancing Devils der 1. Dietzenbacher Tanzgarde traten in Lederjacken und Petticoats in abgespeckter Variante auf der kleinen Bühne auf.

Mit musikalischer Begleitung von Matze Deibel schloss Wagner das Programm mit dem Lied „Verdamp lang her“, bei dem er von den Stimmen seiner Gäste fast übertönt wird. DJ Youngerman sorgt danach für gute Stimmung bis in die Nacht.

Gottfried Lehr schätzt die Wohnzimmer-Atmosphäre des Theaters. „Nächstes Mal trete ich mit meiner Tochter auf“, kündigte er an. Und Gast Axel Schäfer erzählet: „Es ist faszinierend, was in einem so kleinen Rahmen alles auf die Beine gestellt wird.“ Beim ersten Mal sei er gleich an fünf Abenden da gewesen. Karten für die nächste Sitzung gibt es im Thesa-2.0-Ticketshop, unter thesa.de und (falls übrig) an der Abendkasse.