Thesa-Ensemble zeigt die Tragikkomödie „Honig im Kopf“ nach dem gleichnamigen Film von Til Schweiger Ungewöhnliche Reise nach Venedig

„Es fühlt sich an, als hätte ich Honig im Kopf.“ Amandus (Reiner Wagner) erkrankt an Alzheimer. Seine Enkelin Tilda (Loana Tuscano) nimmt ihn mit auf eine bewegende letzte Reise nach Venedig. Foto: Schmedemann

Dietzenbach (liz) – „Es wird der Tag kommen, an dem ich nicht mehr weiß, dass du du bist. Aber merk dir eines: Ich liebe dich und du bist die beste Principessa, die ich mir je wünschen konnte.“ Der Blick von Amandus ruht auf seiner Enkelin Tilda, während sie die Zeilen zu Papier bringt. Die Miene von Loana Tuscano lässt dabei nicht erkennen, ob das Mädchen, das sie spielt, die Bedeutung dieser Worte bereits begreift. Denn sie ist ja erst elf. Und ihr Opa, gespielt von Reiner Wagner, hat Alzheimer. Erst vergisst er alltägliche Dinge, dann die Menschen, die er liebt, hat ihr Kinderarzt ihr erklärt. Wagner hebt den Blick, der eben noch auf dem Briefpapier weilte, und seine blauen Augen starren verblüfft ins Nichts. Er hat wohl vergessen, was er gerade tun wollte…

Mit „Honig im Kopf“ bringt das Ensemble des Theaters Schöne Aussichten (Thesa) ein Stück auf die Bühne, das es in dieser Form noch nicht gegeben hat. Das Schluchzen ist hier dem Jauchzen ganz nah, die Geschichte um die Familie Rosenbach ist eine bittere und süße und vom Leben geschriebene. Auf der Beerdigung seiner Frau Margarete findet Amandus nicht die richtigen – gänzlich unangemessene – Worte, um seiner Gattin zu gedenken. Seine Schwiegertochter Sarah (Charlie Kreuchauff) beäugt die Situation bereits mit dem nötigen Argwohn. Als sich derlei Vorkommnisse häufen, stellt sie ihren Mann Niko (Anselm Wittenstein) zur Rede. Anfänglich verschließt er noch die Augen, doch begreift von Mal zu Mal, dass er handeln muss. Spätestens dann, als Amandus mit einem „gekochten Kuchen“ beinahe das Haus der Familie in Flammen steckt.

Das Stück basiert auf dem gleichnamigen Film von Til Schweiger, der 2014 mit viel Bildgewalt über die Kinoleinwände flimmerte. Das Theaterstück hingegen arbeitet mit minimalistischer Kulisse, die sich durch wenige Handgriffe ändert. Umso stärker treten die Emotionen und Gedanken der verschiedenen Charaktere in den Vordergrund: Sarahs Rationalität, die nicht als Herzlosigkeit verstanden werden will. Nikos Zwiespalt als Sohn, Ehemann und Vater. Tildas Naivität und die bedingungslose Liebe zu ihrem Opa. Amandus’ Verzweiflung und der Verfall, den er selbst spürt. Es sind vor allem die Stimmen, von denen das Stück lebt. Das hysterische Kreischen von Kreuchauff fährt ebenso durch Mark und Bein wie das „Ich hasse dich“, das Tuscano mit bitterster Enttäuschung im Laufe des Stücks ihrem Rollenvater entgegen schmettert. Ebenso Wagners wimmerndes „Ich liebe dich“, das den sonst ruhigen Niko aus der Fassung bringt.

Die häufigen „Blacks“, also die Abdunkelung der Bühne, zwischen den Szenen geben dem Publikum die Zeit, das Gesehene und Geschehene zu verarbeiten. Um den Rahmen der Handlung zu zeichnen, schlüpfen Martina und Reinhard Brandtner in verschiedene Rollen, etwa in die des Kinderarztes, den Tilda über Alzheimer ausfragt, oder Polizisten, denen Enkelin und Großvater auf ihrer Reise nach Venedig begegnen. Von Geschehnissen, die auf der Bühne keinen Platz haben, berichtet Tilda in Monologen. An die Gondelstadt kann sich Amandus noch erinnern. Um ihm Momente der Freude zu schenken, bucht Tilda kurzerhand zwei Zugtickets Richtung Italien. Auf der ungewöhnlichen Reise passieren unweigerlich komische Dinge, die zwischen all der Schwermut für herzhaftes Lachen sorgen. Und das ist auch erlaubt, Wagners Mimik lässt es gar nicht anders zu. „Ich finde seine Inszenierung fast noch besser als die von Dieter Hallervorden“, sagt ein Besucher und nimmt Bezug auf die Filmvorlage.

Das Stück geht nahe – emotional wie physisch. Amandus und Tilda sitzen etwa mit am Tisch zwischen den Gästen und spielen dort. Die Getränkeausgabe des Theaters wird zum Ticketschalter am Bahnhof oder zur Hotelrezeption in Venedig. Die Reinigungskraft Erdal, in deren Rolle Wittenstein schlüpft, wischt emsig zwischen der Bestuhlung und versteckt das Ausreißerpaar hinter den Gästen vor der italienischen Polizei. „Ich finde es ganz großartig, wie das Thema Alzheimer in dem Stück und von den Schauspielern aufgegriffen wird“, findet Besucher Gerhard Müller. Ein Thema, das noch oft genug tabuisiert werde. Im Gegensatz zu Müller hat Zuschauerin Beate Zeiger den Film bereits gesehen. „Die Bilder daraus braucht man nicht, das beweist das Stück ganz beeindruckend“, findet sie.

Das Stück ist unter anderem am morgigen Freitag, 29. November, und am Freitag, 13. Dezember, zu sehen (Einlass: 19 Uhr, Beginn: 20 Uhr). Weitere Termine und Tickets auf thesa.de.