Kerbverein Dietzenbach feiert sein zehnjähriges Bestehen „Unser Ziel ist das Bewahren einer alten Tradition“

Stolz auf zehn Jahre Kerbverein: Leon Bell (von links), Markus Neumann, Lisa Schmedemann, Michael Hain, Fabian Dechant, Tobias Jungermann, Matthias Schmidt und Gerolf Baum. Foto: Wittekopf

Dietzenbach (bw) – Der Kerbverein Dietzenbach hat sein zehnjähriges Bestehen bei einem großen Fest ausgiebig gefeiert. Befreundete Kerbvereine und zahlreiche Gäste schauten auf dem Gelände des Geflügelzuchtvereins vorbei.

Wer das Denken und Handeln der heutigen „Dietzenbacher Kerbborsche“ verstehen möchte, muss das Geschichtsrad viele hundert Jahre zurückdrehen und sich gedanklich an den Ort begeben, der als Geburtsstätte der damals jungen, trinkfesten, starken, mutigen Kerle gilt, zurück, an den Ort, an dem die Christuskirche heute steht. Im Oktober 1754 konnten die Dietzenbacher diese einweihen. Die „Kirchweih“ erfolgte zeitgleich mit dem Erntedankfest. Die Stadt wurde geschmückt, die unverheirateten Damen kauften sich neue Kleider und die Junggesellen kämpften darum, als Kerbborsch nominiert zu werden. „Das war eine große Ehre seinerzeit“, sagt Gerolf Daum, Vorsitzender des Kerbvereins. Doch Zeiten ändern sich. Das Brauchtum fiel nach dem Zweiten Weltkrieg förmlich in den Tiefschlaf. Nur zweimal wachten die Kerbborsche aus diesem wieder auf: Im Jahr 1978 rauften sich einige junge Männer zusammen und man sah wieder Kerbborsche durch Dietzenbach ziehen. Die Euphorie ebbte 1982 erneut ab. Zum 250ten Jahrestag der Kirchweih 2004 wagte man einen Neustart, doch der endgültige Startschuss für die neue Generation fiel am 24. April 2009. Einige unbeugsame, ehemalige und aktuelle Kerbborsche trafen sich, um über das Fortbestehen der Tradition zu beratschlagen. Diesmal wollte man alles richtig machen. Also gründete man den Kerbverein Dietzenbach.

Dass die „Borsche und Mädscher“ das ausgiebige Feiern verstehen, ist hinreichend bekannt.

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Zahlreiche Gäste haben sich eingefunden, um den Tag mit den traditionsbewussten Mitgliedern zu feiern. Bei Wurst, Bier und Wein kommt es zu vielen Gesprächen. Auch die Kerbborsche aus Offenthal sind anwesend. „Wir haben uns erst gegründet und Kontakt mit den Dietzenbachern aufgenommen“, sagt Sebastian Krebs. „Das läuft richtig gut hier und wir arbeiten gut zusammen“, fügt Dominik Weilmünster hinzu.

Ein besonderes Geschenk hat Willy Berz mitgebracht. „Das war unglaublich“ erzählt Baum. „Der Willy hat uns das Original der Rede, die der Kerbpfarrer Artur Keim 1948 gehalten hat, geschenkt.“ Natürlich wird es einen Ehrenplatz in der Schatzkammer des Kerbvereins erhalten.

Doch auch sonst fand sich viel Traditionelles am heutigen Tag. Das Festzelt ist mit Wimpeln in den Farben der Stadt geschmückt, an den Wänden sind die Originale der Kerbfahnen von 2004 an aufgehängt, Es gibt zahlreiche Gruppenbilder und Originale der Kerb-Shirts. „Es ist ein großer Aufwand, den wir betreiben, aber unser Ziel ist das Bewahren einer alten Tradition“, sagt Baum. „Dietzenbach hat schon viel zu viel von seiner Vergangenheit verloren.“ Gerade das Abreißen der Fachwerkhäuser in den 80er-Jahren hat seiner Meinung nach zu einem großen Identitätsverlust der Stadt geführt. Der Kerbverein strebt eine gesunde Mischung aus Tradition und Moderne an. Modern ist zum Beispiel, dass es ab sofort Kerbmädscher gibt. „In 2019 feiern wir 100 Jahre Frauenwahlrecht“, erzählt er. „Wir sind ein moderner Kerbverein und lassen den Frauen wie den Männern die Wahl, ob und wie sie an dem Fest teilnehmen möchten.“ Gute Erfahrungen hat Götzenhain mit dieser Regel gemacht. „Dort haben sie einen reinen Frauenjahrgang und das kommt sehr gut an“, erzählt Baum.

Doch der Vorstand hat weitere Neuerungen beschlossen. „Wir wollen das Kerbtreiben attraktiver gestalten.“ Dazu soll die Innenstadt mit Fahnen und Wimpeln geschmückt werden. „Wir wollen, dass die Bürger sehen, dass die Kerb wieder stattfindet.“ Die Gespräche mit der Stadt verliefen bereits erfolgreich. „Es kann sogar sein, dass wir ein eigenes Zelt aufstellen und so noch mehr Zuschauer anziehen.“ Zur 800-Jahrfeier planen sie einen „Marsch der Kerbborsche.“ Dort sollen alle ehemaligen und aktuellen Kerbmädscher und - borsche die Fahnen der vergangenen Jahre tragen.

Die Kerbzentrale bleibt der Harmonieplatz. „Er soll ja renoviert werden und so als Mittelpunkt wieder den Einzug in das Herz der Dietzenbacher Altstadt finden.“ Doch die Stadtverordnetensammlung konnte sich nicht auf die Freigabe der Gelder einigen und so warten die Kerbborsche weiterhin auf die Unterstützung aus dem Rathaus. Damit bleibt der derzeit größte Wunsch unerfüllt: „Wir wünschen uns die Renovierung der Stelle, an der wir den Baum aufstellen“, sagt der Vorsitzende. „Am schönsten wäre es, wenn dort ein Loch entsteht, ganz nach dem Vorbild in Dreieichenhain.“

Als Höhepunkt des Abends heizt DJ Youngerman mit einer gelungenen Auswahl an Songs dem Publikum ein.