„Die Herausforderung ist das Gelände“ Nächtliche Übung für Dreieicher Wehr und Rotes Kreuz

Die Rettungskräfte der Dreieicher Feuerwehren und des Deutschen Roten Kreuzes haben Hand in Hand gearbeitet. Foto: col

Dreieich (col) – Die Vorbereitungen waren vor allem blutig. Im Haus des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) an der Hainer Chaussee kommen die Darsteller schon um Mitternacht zusammen. Es muss alles vorbereitet werden für den Großeinsatz in dieser Nacht. Das Drehbuch ist klar vorgeschrieben.

Die angenommene Lage auf den Gleisen zwischen Götzenhain und Dreieichenhain ist eine vorangegangene Kollision eines Personenzugs der DB-Regio mit einem auf die Gleise gestürzten Baum. Durch die eingeleitete Notbremsung des Zugführers werden mehrere Personen zum Teil schwer verletzt. Aus dem Zugabteil wabern helle Rauchwolken, durch die geschlossenen Türen sind gedämpfte Hilferufe zu hören und draußen herrscht schwarze Nacht.

Die große Übung der Feuerwehren und des Deutschen Roten Kreuzes von Freitag auf Samstagnacht bedeutet für die 63 Feuerwehrleute und 36 Retter des DRK anstrengende Stunden, mitten in der Nacht in der Dunkelheit. Die Szenerie, die sich vor ihren Augen abspielt, als sie gegen kurz nach halb zwei über den Offenthaler Weg an dem unbeschrankten Bahnübergang eintreffen, ist erschreckend realistisch. Aus dem rund 100 Meter entfernt stehenden Zug wabern dicke, weiße Wolken, ein Baum liegt auf den Gleisen und der Rettungsweg zu den schon laut um Hilfe schreienden Menschen ist alles andere als komfortabel.

Viele Besonderheiten bei der Übung

Dazu müssen die Feuerwehrleute zunächst noch einmal abwarten: Niemand darf die Gleise betreten, solange der Notfallmanager der Bahn nicht seine Freigabe erteilt hat. Gerade bei Zugunglücken mit Oberleitung könnte die Rettung durch den Strom sonst lebensgefährlich werden.

Die Helfer agieren routiniert. Nach und nach werden die Verletzten geborgen. Ein Rollstuhlfahrer wird vorsichtig aus dem Zug gehoben. Drei der Schwerverletzten sind bewusstlos. Das ist auf dem doch recht steilen Bahnsteig mit den dicken Steinen eine Herausforderung. Mit Tragen und jeweils zu viert packen die Feuerwehrleute gemeinsam an. Inzwischen ist die Unglücksstelle auch ausgeleuchtet und auch Dreieichs Bürgermeister Dieter Zimmer und Erster Stadtrat Martin Burlon schauen gebannt zu, wie die Menschenrettung abläuft.

Leben retten

Insgesamt 25 Leute werden aus dem Zug evakuiert, 15 davon mit zum Teil blutigen Verletzungen, Schnittwunden, offenen Brüchen – zuvor alles geschminkt. Die Übergabe der Verletzten an das DRK gelingt auch gut. Inzwischen haben die Ersthelfer schon zwei Zelte auf der anderen Seite des Bahnübergangs aufgestellt. Die Menschen werden auf Feldbetten gelegt, warm gehalten und auch medizinisch versorgt. „Bei solch einer Übung geht das Adrenalin hoch, auch wenn wir wissen, dass es eine Übung ist“, erklärt Randolf Schlapp, Leiter der DRK- Notfalldarstellung. Damit keiner der Schauspieler im Eifer des Gefechtes einen echten Zugang gelegt bekommt, gibt es eine Gruppe Übungsbeobachter, dass den Mimen nichts passiert.

Viele Wochen haben die beiden Wehrführer Carsten Lichtinghagen (Götzenhain) und Heinrich Graf (Dreieichenhain) diese besondere Übung ausgearbeitet und mit den Notfallmanagern der Deutschen Bahn abgestimmt. Die ehrenamtlichen Retter von Feuerwehr und DRK wussten nicht, was sie in dieser Nacht erwarten sollte.  Einsatzleiter Markus Tillmann koordiniert mit großer Ruhe die gut organisierten Einsatzgruppen aus den vier Stadtteilen Sprendlingen, Dreieichenhain, Offenthal und Götzenhain. „Die besondere Herausforderung ist das relativ schlecht zugängliche Gelände und die sehr beengten Gegebenheiten zu koordinieren“, erklärt Tillmann.

Realistische Bedingungen

Auch für die Bahn ist eine solche Übung nicht Alltag, seit Jahren habe es in Hessen einen solch aufwendigen Einsatz nicht gegeben, sagt Bernd Häfner von DB Netz. Umso dankbarer waren die Dreieicher Retter, dass es ihnen die Bahn ermöglicht hat, unter solch realistischen Bedingungen zu üben. Die Koordinatoren Graf und Lichtinghagen waren letztlich zufrieden, als alle Menschen gerettet und der Schwelbrand gelöscht war. Gegen vier Uhr fuhren die 14 Einsatzfahrzeuge wieder in die heimischen Garagen. Für die Feuerwehrleute war noch nicht Schluss. Sie mussten die Fahrzeuge sofort wieder startklar machen.