DREIEICH-MUSEUM Einblicke ins Weihnachtsfest Im Wandel der Zeit

Dreieich – Schon wegen der zauberhaften Weihnachtsfotografien lohnt es sich derzeit, das Dreieich-Museum zu besuchen: Die Weihnachtsausstellung „Weihnachten bei den Wagners – Ein Familienalbum 1900 – 1945“ erlaubt einen sehr intimen Einblick in das Weihnachtsfest eines Berliner Ehepaares über einen Zeitraum von 45 Jahren.

Richard Wagner, ein Bahnbeamter, vermutlich im gehobenen Dienst, hat sich und seine Frau Anna jedes Jahr an Weihnachten im heimischen Wohnzimmer mit dem Selbstauslöser fotografiert. Diese Fotos, das erste von 1900, sagen so viel über das Leben in Berlin in dieser bewegten Zeitspanne der deutschen Geschichte bis ins Jahr 1945. Das junge Paar ist im neuen Jahrtausend auf dem ersten Foto sehr festlich gekleidet, Richard im Gehrock, Anna im schwarzen Kleid mit weißer Schürze. Der kleine Weihnachtsbaum – auf dem Tisch stehend und traditionell mit Lametta und meist mit Strohsternen geschmückt – bleibt neben dem Ehepaar die wichtigste Konstante. Nach dem Umzug in ihre Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung im Bayerischen Viertel in Berlin-Schöneberg 1911 bleibt die Kulisse identisch. Alles andere spiegelt so deutlich die jeweilige Zeitgeschichte wieder, denn die Wagners erleben zwei Weltkriege, die Weltwirtschaftskrise und den Aufstieg der Nazis.

1915 herrscht bei den Wagners trotz des Ersten Weltkriegs noch Wohlstand. Anna und Richard Wagner haben viel Essen auf dem Tisch, die Landkarte der Truppenbewegungen zeigt, wie optimistisch das Paar in Bezug auf den Ausgang des Krieges ist. 1917 sieht das schon ganz anders aus. Das Land steckt in der Kohlekrise, die Wagners feiern im offensichtlich kalten Wohnzimmer im Mantel ihr Weihnachtsfest. 1924 feiert das Ehepaar im Hauskleid und in gestreifter Hausjoppe – heute wohl gleichzusetzen mit dem bequemen Jogginganzug, aber doch irgendwie deutlich stilsicherer.

An den Geschenken lässt sich der technische Fortschritt ablesen – schon früh bekommt Anna Wagner von ihrem Mann einen Staubsauger, ein elektrisches Bügeleisen und einen Föhn. Hat der Baum zu Beginn des Jahrhunderts noch Wachskerzen, ziehen im Laufe der Jahrzehnte elektrische Kerzen ein.

Die Bilderserie nutzen die Wagners als Weihnachtskarten für Verwandte und Freunde. So sind die alten Fotografien eher durch einen glücklichen Zufall in den Besitz des Museums Charlottenburg-Wilmersdorf geraten. Corinna Molitor, Leiterin des Dreieich-Museums, will die Ausstellung schon lange zeigen, und ist froh, dass es jetzt endlich gelungen ist.

Geöffnet ist die Ausstellung bis zum 16. Januar, samstags von 14 bis 18 Uhr und sonn- und feiertags von 11 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei, aber Spenden zur Erhaltung der Burg werden gerne angenommen.

VON NICOLE JOST