Hintergrund: 100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland
Am 30. November 1918 trat in Deutschland das Reichswahlgesetz mit dem allgemeinen aktiven und passiven Wahlrecht für Frauen in Kraft. So konnten beispielsweise am 19. Januar 1919 Frauen zum ersten Mal landesweit wählen und gewählt werden, denn an diesem Tag fanden die Wahlen zur verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung statt: 300 Frauen kandidierten, 37 Frauen wurden schließlich gewählt (423 Abgeordnete gesamt).
Zum Frauenwahlrecht war es ein langer Weg. Es musste von den Frauen genauso ersehnt, eingefordert und erkämpft werden wie das allgemeine Wahlrecht für die männlichen Bürger. In Deutschland kämpfte um 1900 besonders die Sozialdemokratische Partei (SPD) für das Wahlrecht. Auch engagierte Frauen außerhalb der SPD setzten sich vehement für das Frauenwahlrecht ein, waren sie doch unabhängig von Alter, Einkommen oder Tätigkeit davon komplett ausgeschlossen. Die gemäßigte bürgerliche Frauenbewegung strebte ein eingeschränktes Wahlrecht an. Die radikaleren sozialistischen Frauen um Clara Zetkin forderten dagegen auf dem ersten internationalen sozialistischen Frauenkongress 1907 in Stuttgart das allgemeine Frauenwahlrecht. Das Frauenwahlrecht, das heute so selbstverständlich ist, musste sich gegen viele Vorurteile von Männern und Frauen durchsetzen. So wurde Frauen etwa verminderte Intelligenz und durch ihre Gebärfähigkeit eine „natürliche“ Bestimmung für den privaten, scheinbar politikfernen Bereich zugeschrieben. Viele weitere politische Schritte mussten in der Folgezeit gegangen, viele weitere Rechte und Ansprüche gesetzlich verankert werden.
Die Juristin Elisabeth Selbert, eine der vier „Mütter“ des Grundgesetzes, setzte mit großem Einsatz durch, dass der Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ am 23. Mai 1949 im Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes als Verfassungsgrundsatz aufgenommen wurde. Trotz dieser formalen Gleichberechtigung stoßen Frauen selbst 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts immer noch an eine „gläserne Decke“. Sie sind in gesellschaftlichen Führungspositionen in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft nach wie vor unterrepräsentiert.
Das Zahlenverhältnis von Männern und Frauen in den Parlamenten hat sich über die Jahrzehnte hinweg verbessert. Dennoch liegt der Anteil weiblicher Parlamentarierinnen im Deutschen Bundestag heute lediglich bei etwas mehr als 30 Prozent.