Nabu-Chef Peter Erlemann leitet Vogelstimmenwanderungen durch die Gemarkung Frühes Aufstehen ist von Vorteil

Anhand von Abbildungen erläuterte der Obertshausener Nabu-Vorsitzende Peter Erlemann, der die Vogelstimmenwanderung in Heusenstamm führte, zu welchem Vogel der jeweilige Gesang gehörte. Foto: Petrat

Heusenstamm (pep) – Sonntagmorgen halb sieben. Etwa zwanzig Vogelinteressierte und Naturfreunde stehen am Waldrand, blicken mit ihren Feldstechern in die Baumkronen und suchen den Himmel ab.

Doch bei der Vogelstimmenwanderung von Naturschutzbund und Schutzgemeinschaft Deutscher Wald ist neben dem Sehen noch einen anderer Sinn entscheidend – das Hören. Um dem Gesang der gefiederten Sänger zu lauschen ist im Frühling ein guter Zeitpunkt. So wie an vielen anderen Orten im Kreis startet am Maifeiertag eine kleine Wandergruppe in Heusenstamm. Aber warum muss man dafür eigentlich so früh aufstehen?

„Eigentlich sind wir fast schon zu spät“, erklärt Dietmar Tinat von der Schutzgemeinschaft. Die Vögel seien bereits seit vier Uhr in am frühen Morgen aktiv, „denn die Vogeluhr richtet sich nach dem Sonnenaufgang“. Als Frühaufsteher gilt der Gartenrotschwanz, der besonders zeitig zu singen beginnt. Star oder Mönchsgrasmücke hingegen seien Langschläfer und würden erst aktiv, wenn die Sonne bereits einige Zeit zu sehen sei. Je heller es draußen werde, umso weniger werde gesungen.

Der Mond ist noch zu sehen und die Sonne scheint bereits, als die Gruppe mit ihren Feldstechern im Wald verschwindet. Blaumeise, Amsel und Buchfink sind deutlich zu hören. Bei selteneren Arten hilft ein kleines Lexikon. Neben Bildern und einigen Informationen finden sich dort auch die Verknüpfungen zu Tonbeispielen der Gesänge. Das notwendige Abspielgerät ist kaum größer als ein Kugelschreiber. Mit dieser Klang-Attrappe kann auch versucht werden, die Vögel zu einem „Dialog“ anzuregen. Beim nächsten Halt der Gruppe übertönt das Dröhnen eines Flugzeugs am Himmel den lieblichen Klang von Mönchsgrasmücke und Zaunkönig. Doch beide sind auf dem knapp zweistündigen Rundgang regelmäßig zu hören.

Warum die Vögel überhaupt zwitschern fasst Peter Erlemann für die wenigen Neuen in der Wandergruppe kurz zusammen. Zum einen grenzen sie damit ihr Revier ab. Konkurrenten wird also entgegen gesungen. Die Naturfreunde können bei ihrem Ausflug dieses Schauspiel sogar miterleben.

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„Genau hier scheint die Reviergrenze zu verlaufen“, erklärt der Fachmann. Rechts vom Weg singt der eine Vogel was das Zeug hält, links davon sein Artgenosse. Die andere Funktion des Vogelgesangs ist die Balz. Ein schöner Klang zieht die Weibchen an. Und die hören ganz genau hin und wissen zu differenzieren. Je toller der Gesang, umso attraktiver wirkt das Männchen.

Interessante Details zur Natur und den in Heusenstamm lebenden Tieren tauschen sich die Teilnehmer untereinander aus. Auch Tinat und Erlemann sparen nicht mit ihrem Fachwissen. Der in der Gemarkung oft auszumachende „Fischreiher“ heißt zum Beispiel überhaupt nicht so. Der Graureiher hat seinen Rufnamen dem Umstand zu verdanken, dass er von über Fischgewässern gesehen wird. Er jagt aber auch im Feld. Von Gesang versteht er jedoch nicht sonderlich viel, ebenso wenig wie der Mäusebussard, den einige mit ihren Ferngläsern bereits erspäht haben.

Schnell aneinandergereihte Laute lassen die Teilnehmer auf einen Zilpzalp schließen. Dieser Vogel ist einer von mehreren, deren Gesang sich mit etwas Fantasie wie ihr Name anhört: „zilpzalp zilpzalp zilpzalp“.

Seit fast 40 Jahren leitet Erlemann diese Wanderungen, die abwechselnd auch in Obertshausen stattfinden. „Es wird immer leider immer weniger“, beschreibt er die schleichende Veränderung in den vergangenen Jahrzehnten. Während man es bei größeren Tieren noch mitbekomme, würden kleinere Arten nahezu unbemerkt verschwinden. Er sieht seine Erfahrungen durch Europäische Studien gestützt, die einen massiven Rückgang der Brutvogelbestände belegen.