Selbsthilfegruppe „Die eMSigen“ plant für die Zukunft Gefeiert wird erst, wenn es einen Durchbruch in der MS-Forschung gibt

Seit 30 Jahren gibt es die Heusenstammer Selbsthilfegruppe „Die eMSigen“. An der Veranstaltung anlässlich des Jubiläums nahmen im Pfarrheim St. Cäcilia auch Helga Glania, Inke Reinhardt und Bernd Crusius teil Foto: m

Heusenstamm (m) – Mit ihren 30 Lenzen gehören „die eMSigen“ nicht zu den Dinos der schlossstädtischen Vereinswelt. Auch ihre Mitgliederzahl ist kaum höher, die Bereitschaft anzupacken dafür aber riesig: Seit 1988 begleiten Helfer Menschen, die an fortgeschrittener Multiplen Sklerose (MS) leiden.

Die Freunde kommen zu den Erkrankten nach Hause, greifen ihnen bei Aufgaben des Alltags unter die Arme, chauffieren sie zum Arzt oder zum Einkaufen, unternehmen mit ihnen Ausflüge, organisieren gesellige Kaffeekränzchen oder sind einfach zu einer netten Unterhaltung da. Und trotzdem schwebt das Damoklesschwert der unwiderruflichen Diagnose über die Betroffenen und bewegt die unermüdlichen Helfer.

„Wir feiern erst, wenn es in der Presse heißt, es gibt einen Durchbruch in der Forschung, wir wissen woher MS kommt und wie sie zu heilen ist.“ Helga Glania ist der Motor der Gruppe, ihre Sprecherin und ihre Seele. Und obwohl – oder weil die emsige Seniorin seit mehr als einem Vierteljahrhundert den Kreis der MS-Kranken leitet, wünscht sie niemandem „Hauptsache gesund“: Diese „unvorsichtige Redensart“ ließe die Menschen mit der Krankheit von vornherein chancenlos zurück. „Jeder muss herausfinden, was für ihn die Hauptsache ist, wir können nur zeigen, du gehörst dazu, wenn Du möchtest, bekommst du unsere Hilfe.“

Die Initiative kam aus Offenbach. In Heusenstamm hat die Pfarrgemeinde St. Cäcilia den eMSigen Behindertentoiletten eingebaut, erinnerte Helga Glania, seitdem treffen sie sich regelmäßig im alten Pfarrheim. Damals kannte sie die Krankheit noch nicht, doch es kamen immer mehr Betroffene, und sie wurden immer jünger. Nur zu oft fragte sich die Sprecherin, „eine Selbsthilfegruppe wegen einer Krankheit, für die es sowieso keine Heilung gibt, was soll das?“.

Bald spürte sie, wie wichtig die Begegnungen sind. Sie versammeln sich regelmäßig bei Kaffee und Kuchen, denn zur Gemeinschaft zählen leidenschaftliche Bäckerinnen. Die Teilnehmer an den Runden unterhalten sich spielend, und im Frühjahr trägt Erika Seefeld stets Goethes „Osterspaziergang“ auswendig vor. Auch ausgehen ist angesagt, zu den Zielen zählen Zoo und Palmengarten, doch das lassen sie im Augenblick ruhen, „es ist zu heiß für Ausflüge“. Auch Holiday On Ice, Theaterbesuche, und „Schwanensee“ in der Alten Oper standen schon auf dem Programm.

Die Krankheit soll nicht im Vordergrund stehen, aber die Runde tauscht Informationen über Medikamente aus, diskutiert das Für und Wider von Therapien. „Aber wir sind keine Auskunftsstelle, im Mittelpunkt steht bei uns der Mensch“, betont Schlossstädterin Glania. „Wer die Diagnose bekommt, droht, in ein Loch zu fallen“, beschreibt sie den schlimmen Moment. „Wir bieten dann an, in die Gruppe zu kommen, sich mit anderen auszutauschen“.

Den Verlauf der „Krankheit mit den tausend Gesichtern“ vermag niemand vorherzusagen, es bleibe jedoch Vieles machbar. Gymnastik eigne sich, um die Fitness zu erhalten. Dabei gehören Rollstühle längst zur Gesellschaft, viele gehen mit dem Gefährt auch in Theater und Cafes. Bernd Crusius, Geschäftsführer der Deutschen Multiple-Sklerose-Gesellschaft, kurz DMSG, in Darmstadt betonte, „30 Jahre sind etwas ganz Besonderes“. Er sei zuversichtlich, dass die Gruppe weiter bestehen werde. Es sei jedoch wichtig, neue Mitglieder zu gewinnen. Erstmals seien im Oktober alle 3380 Mitglieder im Land zur Versammlung in Großen-Buseck eingeladen, um sich aktiver an der Gestaltung des Verbands zu beteiligen.

In Sachen Zukunftsfähigkeit sieht Crusius „Licht am Ende des Tunnels“, denn es gründen sich immer mehr junge Gruppen und kooperieren gut mit den bestehenden - „das gibt Mut“. Die eMSigen wollen nun Pate für jüngere Kranke stehen. Über den neuen Internetauftritt der DMSG könne sich jeder vernetzen und sich über Symptome, Beschwerden und Erkenntnisse austauschen.

Zwei Drittel der Mitglieder leben auf dem Land, und vor allem dort seien viele Gebäude nicht barrierefrei. Crusius fordert auf, Druck auf politisch Verantwortliche zu machen. Die DMSG unterhält einen eigenen Fahrdienst, denn die Mobilität sei ein großes Problem. Inke Reinhardt, seit 2005 Beratungsstellenleiterin in Darmstadt, findet es „schön, wie ihr miteinander umgeht“.

Wer in der neuen Gruppe für jüngere Leute aus Heusenstamm und Umgebung mitmachen möchte, kann sich bei ihr melden unter der Rufnummer Telefon 0151/ 44 666.