Feier im Gemeindehaus der Evangelischen Kirchengemeinde Gemeinsames Essen gegen die Einsamkeit

Seit vier Jahren lädt der Organisationskreis der Evangelischen Kirchengemeinde Heusenstamm an Heilkigabend zur Gemeinsamkeit in ihr Gemeindezentrum ein.Neben einigen „Stammgästen“ kommen immer wieder „neue Gesichter“ vorbei. Foto: m

Heusenstamm (m) – Manchmal muss man an die Basis zurückkehren, um die Dinge zu verstehen.

Weihnachten ist so eine Sache, die wohl oft fehlinterpretiert wird. Für viele ist es ein Spektakel des Einzelhandels und reduziert auf den Austausch von möglichst teuren Geschenken. Was das Geburtsfest wirklich ausmacht, spürten an Heiligabend zwei Dutzend Teilnehmer an einem gemeinsamen Essen im Familienzentrum an der Leibnizstraße.

Statt fröhlich-bunt wie in südlichen Ländern wird die Heilige Nacht hierzulande eher still und im engen Familienkreis gefeiert. Schlimm ist’s nur, wenn man keine Familie hat. Dann kann das „schönste aller Fest“ die einsamsten Stunden hervorbringen. Das erkannte der Organisationskreis der evangelischen Gemeinde und lädt seit vier Jahren an Heiligabend zur Gemeinsamkeit ein.

Den kleinen Saal im Erdgeschoss erfüllt gedämpftes, warmes Licht. Vor der Stirnwand thront ein Christbaum, dezent dekoriert mit einer leichten Lichterkette, Kugeln und Sternen aus Eis-Stielen und Buntpapier. Auf dem Keyboard ruht eine Bibel, aus dem Ghetto-Blaster dringt „Let It Snow“. Über dem Türstock und die Tafel an der Wand ist Tüll geschwungen, die Tischgruppen krönen Blumengestecke mit knallrotem Weihnachtsstern.

Am ersten von drei Achtertischen sitzt Ilona. Sie ist seit dem ersten Treffen vor vier Jahren dabei.

Genau genommen hat Yannik Grotemeyer die Feier für Menschen wie sie ins Leben gerufen. Der Lehrer im Vorbereitungsdienst war Jugendgruppenleiter und verdiente sich ein paar Euro, indem er den Garten des Hauses hegte, in dem Ilona wohnte. Die Rollstuhlfahrerin verlor ihre Mutter und war fortan oft allein.

Yannik besucht sie regelmäßig und gewann die Gemeinde für die Idee zu der Feier. Neben einigen „Stammgästen“ kommen immer wieder „neue Gesichter“ vorbei.

Darunter sind auch Teilnehmer, die sich nicht zum christlichen Glauben bekennen wie der Bekannte von Helferin Heidemarie Eickmeier.

Der Muslim fühle sich sehr wohl in der geselligen Runde, sagt die Helferin, die ebenfalls seit dem ersten Heiligen Abend dabei ist.

Gleich beim ersten Anlauf fand sich ein Dutzend Aktiver. Manche bringen einen Salat oder einen Kuchen vorbei, bereiten das Büfett und dekorieren den Raum. Andere sind zur Veranstaltung da, wärmen die Wiener Würstchen und servieren die Speisen. Dazu zählen Chicoree-Salat, Obatzter und Gnocchi mit Gemüse für Vegetarier und Veganer, auf den Tischen stehen schon Käseplatten bereit.

Pfarrer Sven Sabary begrüßt die Runde, lädt die Besucher ein, dass sie „es sich einfach gut gehen lassen“. Zur Einstimmung begleitet er „Alle Jahre wieder“ und „Ihr Kinderlein kommet“ am Keyboard und trägt die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium vor. Er dankt den Mitstreitern, darunter auch einer Dame aus Dietzenbach, die den Schmuck für den Baum bereitstellte.

Aus der Gruppe heraus sind dauerhafte Freundschaften entstanden. Florian zählt zum Helferteam. Er war Schüler von Yanniks Mutter, machte ein Praktikum als Entwicklungshelfer in Afrika, erzählt er. Jetzt trifft er sich regelmäßig mit Gleichgesinnten und sammelt im Wald Müll. Ihm gegenüber sitzen Dieter und Gerda leben in Rembrücken. Die Senioren wollten den Weihnachtsabend einfach nicht vor der Glotze verbringen und haben Gesellschaft gesucht. „Zu Hause fällt dir die Decke auf den Kopf“, weiß Ilona aus Erfahrung.

Jetzt trägt Heidemarie ein Gedicht vor, das sie in ihrem Mobiltelefon gespeichert hat. Eine andere Dame liest die Geschichte von einem Engel, der nicht mitsingen will, weil ja doch kein Friede unter den Menschen herrsche. „Es ist eine sehr angenehme Atmosphäre mit netten Leuten“, begründet sie ihre Teilnahme. Der Pfarrer informiert über das Friedenslicht aus Bethlehem, das er am Nachmittag in der katholischen Gemeinde abgeholt hat. Zeit für den Nachtisch.