Internationaler Vorlesetag an der Otto-Hahn-Schule Geschichte in Gebärdensprache begeistert junge Leseratten

Still und gebannt lauschen die Schüler den Geschichten der Vorleserin. Foto: Yakmur Tipi

Heusenstamm (yati) – Wer kennt sie nicht, die „Gute-Nacht“-Geschichten von früher, die den meisten in frühen Kindertagen vorgelesen worden sind und die eigene Phantasiewelt beflügelten. Dass Vorlesen die Phantasie und Kreativität von Kindern fördert, ist wissenschaftlich belegt. So wussten also Mama und Papa oder Oma und Opa früher schon, dass das Vorgelesene ihren Sprösslingen nicht nur Spaß macht, sondern auch ihre Entwicklung unterstützt.

Im Rahmen des bundesweiten „Internationalen Vorlesetags“ fand auch an der Otto-Hahn-Schule in Heusenstamm der unter den Schülern bekannte und beliebte Vorlesetag statt.

Die Riege der zahlreichen Vorleser, die sich freiwillig für diesen Tag gemeldet hatten, war bunt durchmischt. Von Eltern der Grundschüler über Oberstufenschüler des Adolf-Reichwein-Gymnasiums bis hin zum Bürgermeister. Ebenso zahlreich wie die Vorlesenden waren auch die Sprachen, auf denen vorgelesen wurde – sei es Englisch, Französisch, Spanisch, Polnisch, Russisch, Persisch, Türkisch oder Gebärdensprache. Selbst der schwäbische Dialekt war vertreten.

Die Oberstufenschüler aus den Leistungskursen Englisch, Französisch und Spanisch des Adolf-Reichwein-Gymnasiums lasen aus Kinderbüchern vor und versuchten mit bunten Bildern, die Geschichten der Titelfigur zu erläutern. Während eine auf der Originalsprache vorlas, übersetzte im Anschluss ihre Mitschülerin das Gesagte auf Deutsch. „Hat jemand verstanden, was sie da gesagt hat?“, fragte die Oberstufenschülerin in die Grundschulklasse, woraufhin blitzartig mehrere Finger in die Höhe schossen. „Die Schnecke fühlt sich so klein“, antwortete eine junge Zuhörerin. Das Vermuten der Bedeutung des Vorgelesenen machte den kleinen Zuhörern sichtlich Spaß und auch die Gymnasiasten waren erstaunt über die vielen richtigen Treffer der kleinen Leseratten.

Auch Bürgermeister Halil Öztas las aus einem Kinderbuch sowohl auf Deutsch als auch auf Türkisch vor.

Eine Vorlesende stellte den Kindern sogar Gebärdensprache vor, was die meisten Grundschüler mit besonderem Interesse verfolgten. „Wisst ihr, wer die Gebärdensprache benutzt?“, fragte die Vorleserin die neugierigen Schüler. „Menschen, die nicht hören können“, hieß es aus der Klasse. Nach der kurzen Einführung fuhr die Vorlesende fort: „Gleich werde ich meine Stimme ausschalten und nur noch mit meinen Händen und meinem Gesicht mit euch reden.“ So trug sie den kleinen Zuschauern die Geschichte „Ich hab Dich lieb, Papa“ vor und gebärdete das Abenteuer von Timmy, dem kleinen Eichhörnchen. Die Augen der Grundschüler verfolgten die Hände der Vorleserin sehr aufmerksam. Und auch die Mimik der Gebärdenden faszinierte die Zuschauer. Alles war still und folgte den Gesten. Der Vortrag auf Gebärdensprache sorgte für große Begeisterung. Im Anschluss las die Klassenlehrerin das Buch vor, während es gleichzeitig in Gebärdensprache übersetzt wurde. Einige neugierige Schüler wagten die Vermutung, was die eine Gebärde wohl bedeuten könnte. Daraufhin versuchte die Klasse selbst Wörter wie Mutter und Vater oder Sätze wie „Ich hab Dich lieb“ zu gebärden. Und das mit Erfolg.

Der Vorlesetag an der Otto-Hahn-Schule wurde bereits 2004 ins Leben gerufen. Der Vorlesende wählt die Geschichte und die Sprache immer selbst aus. Die Geschichten reichen von Klassikern bis hin zu verschiedenen Märchen. „Es ist ein sehr wichtiges Projekt. Vorlesen fördert die Entwicklung der Kinder und es ist schön für die Kinder, wenn sie unterschiedliche Sprachen hören können“, sagte die diesjährige Organisatorin Eva Seyrling, stellvertretende Vorsitzende des Schulelternbeirats der Otto-Hahn-Schule. „Es ist sowohl für die Kinder als auch für die Eltern und die anderen Vorlesenden eine Bereicherung“, so Seyrling weiter. Nach einer Leseeinheit hat die Klasse meistens noch die Gelegenheit, sich mit dem Vorlesenden über das Vorgetragene auszutauschen und noch das ein oder andere Wissenswerte über die fremde Sprache zu erfahren. Besonders für mehrsprachig aufwachsende Kinder ist es eine schöne Erfahrung, als Dolmetscher für ihre Klassenkameraden zu agieren. „Die Kinder sind immer aufgeregt und freuen sich auf den Vorlesetag. Sie fragen sogar, ob sie die vorgelesene Fremdsprache in der Schule lernen können “, fügte Schulleiterin Lang hinzu.

Dass die verschiedenen Fremdsprachen bei den Schulklassen gut ankommen, zeigt der tosende Applaus nach der spanischen Leseeinheit der Oberstufenschülerin Laura. Die Grundschüler verabschieden sie mit „Adiós“, während einer noch ruft „Hasta la vista!“.